Seiner Frau, der Violonistin Anne Gravoin, überlässt er die Musik – doch in der Politik spielt Manuel Valls gerne die erste Geige. Kein Mitglied der französischen Regierung zieht mehr Aufmerksamkeit auf sich als der Innenminister. Alles an seiner Erscheinung strahlt Ehrgeiz und Entschlossenheit aus; und nicht nur Valls selbst sieht sich wohl zu Höherem berufen, sondern auch die Medien: Als „Vize-Präsident“ betitelte ihn das Magazin „Le Nouvel Observateur“. Und während Präsident Hollande und Premierminister Jean-Marc Ayrault in den Umfragen abstürzen, hat Valls ihre Spitze erreicht.
Ihm kommt zupass, dass sein Ressort nicht mit heiklen wirtschaftlichen oder sozialen Themen betraut ist, sondern verknüpft mit Werten wie Autorität und Ordnung. Die innere Sicherheit gehört neben Justiz und Bildung zu den Ressorts, für die Hollande keine Budgetkürzungen vorsieht, sondern sogar die Schaffung neuer Stellen. Doch das allein erklärt das Popularitätshoch des Politikers nicht. Der jugendlich wirkende 50-Jährige agiert schnell und geschickt. Ob bei den gewaltsamen Krawallen Jugendlicher im nordfranzösischen Amiens im Sommer oder nach dem landesweiten Anti-Terror-Einsatz am Wochenende gegen Islamisten – Valls gibt sich reaktiv und präsent.
Er will „prioritäre Sicherheitszonen“ mit verschärften Überwachungsmaßnahmen in besonders sensiblen Stadtvierteln einrichten, zugleich schlägt er einen versöhnlicheren Ton an als die Vorgängerregierung. Menschenrechtsorganisationen beklagen dennoch, am unwürdigen Umgang mit Roma habe sich nichts geändert. Viele bezweifeln, dass dieser Sozialist wirklich links ist, vergleichen ihn gar mit Nicolas Sarkozy, der vom Innenministerposten aus den Sprung ins Elysée schaffte.
Tatsächlich gibt es Parallelen mit dem Ex-Präsidenten: das Talent zur medialen Inszenierung, ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Einen Ministerposten, den ihm Sarkozy 2007 im Zeichen seiner politischen „Öffnung“ nach links anbot, schlug Valls aus. Es war ein geschickter Coup Hollandes, den Vertreter des rechten Parteiflügels mit einem Ressort zu betrauen, das für die Linke seit jeher viel Angriffsfläche bietet, der die Konservativen Laxheit vorwerfen. Selbst die Opposition schätzt ihn, der seiner eigenen Partei oft widerspricht, zuletzt mit seiner Ablehnung eines kommunalen Wahlrechts für Ausländer.
Furcht anzuecken hatte Valls nie, der in Barcelona geboren wurde als Sohn eines spanischen Malers und einer Schweizerin, als junger Mann nach Frankreich kam, die französische Staatsbürgerschaft annahm und in die Sozialistische Partei eintrat. Jahrelang beriet er Premierminister Lionel Jospin und war seit 2001 Bürgermeister der Pariser Vorstadt Evry. Seine Außenseiterrolle behielt er lange.
Ex-Parteichefin Martine Aubry legte ihm 2009 sogar in einem offenen Brief den Parteiaustritt nahe – was er verweigerte. Bei der internen Wahl des Präsidentschaftskandidaten der Sozialisten landete er mit 5,6 Prozent der Stimmen nur auf dem fünften Platz, machte sich dann aber als Kommunikationsleiter in Hollandes Wahlkampagne unverzichtbar. Und ist es seither geblieben.