Der Besuch in Sopron war für Angela Merkel alles andere als eine Lustreise. Denn Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident Viktor Orban ist derjenige Regierungschef in der Europäischen Union, mit dem sie am wenigsten gemeinsam hat. An der Spitze der Visegrad-Staaten hat er viele Versuche Merkels torpediert, die Europäische Union zu gemeinsamen Lösungen zu bringen, besonders in der Migrationspolitik.
Doch Angela Merkel ließ sich nichts anmerken. Feierlich zog sie gemeinsam mit Viktor Orban in die lutherische Barockkirche ein, um dort mit einem Ökumenischen Gottesdienst den 30. Jahrestag des Paneuropäischen Picknicks zu begehen. Sie bedankte sich für den Mut der ungarischen Bevölkerung. „Deutschland wird Ungarn das nicht vergessen.“
Versuch einer Schmeichelei
Merkel beschrieb die Umstände der Flucht, das Ausharren der DDR-Bürger auf den Campingplätzen und die kursierenden Handzettel mit Hinweisen auf die Fluchtmöglichkeit beim „Paneuropäischen Picknick“ am 19. August 1989. Das werde immer eine Kraftquelle für sie sein.
Orban blieb dagegen mit seiner Rede an der Oberfläche. „Vor so einer erfolgreichen Dame ziehen wir schon von Weitem den Hut“, versuchte er Merkel zu schmeicheln. Vor dreißig Jahren sei die europäische Ordnung nach zwei Weltkriegen verloren gegangen. Seitdem werde eine neue aufgebaut.
Ungarns Handschrift
Die Europäische Union sei nie vollendet. „Europa muss von Konflikt zu Konflikt stets neu erschaffen werden.“ Dabei, das klang immer wieder durch, soll Ungarns Handschrift sichtbar werden.
Merkel mahnte, angesichts der großen Aufgaben hänge das nationale Wohl immer auch vom Gemeinwohl ab. „Europa kann nur so stark sein, wie es geeint ist, wie wir fähig zum Kompromiss sind“, sagte sie.“Beispielsweise, wenn es um Menschen geht, die Zuflucht vor Krieg und Krise suchen“.
In der anschließenden eher distanzierten Pressekonferenz kündigte Orban einen Neubeginn in den schwierigen Beziehungen zwischen Ungarn und Deutschland an. Erreichen wollen beide das durch die Wirtschaftsbeziehungen, gemeinsame Forschung und Innovation.
Orbans Politik kollidiert mit den Europäischen Verträgen
Vor dreißig Jahren hatte Ungarn die Grenze geöffnet und mehr als sechshundert DDR-Bürgern die Flucht ermöglicht. Die Gelegenheit bot sich, weil das Ungarische Demokratische Forum aus Sobron das „Paneuropäische Picknick“ organisierte. Die Idee hatte der damalige CSU Europaparlamentarier Otto von Habsburg im Juni 1989 nach einer Rede an der Universität von Debrecen entwickelt.
2014 hatte Merkel das von Viktor Orban regierte Land zuletzt besucht. Politisch trennen beide Regierungschefs tiefe Gräben. Orbans antidemokratische und autoritäre, von ihm selbst „illiberal“ genannte, Politik kollidiert mit den Europäischen Verträgen. Ungarn missachtet heute die Kopenhagener Kriterien, die für die Aufnahme in die EU erfüllt werden müssen. Deshalb laufen Rechtsstaatlichkeits-Verfahren der EU-Kommission gegen Ungarn.
Ruhende Mitgliedschaft
Außerdem untersucht ein Weisenrat aus dem ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlamentes Hans Gerd Pöttering, dem österreichischen Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und dem früheren EU-Ratspräsidenten Herman von Rompuy, inwieweit die Orban-Partei Fidesz noch Mitglied der Europäischen Volkspartei bleiben kann. Zur Zeit ruht deren Mitgliedschaft.
In der Wahl Ursula von der Leyens zur Präsidentin der Europäischen Kommission sieht Ministerpräsident Orban eine Möglichkeit, bestehende Konflikte wie in der Flüchtlingspolitik zu überwinden und die gestörten Beziehung zwischen Ungarn und der EU zu normalisieren.