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Der verlängerte Arm des Papstes
Von unserem Korrespondenten Julius Müller-Meiningen
 |  aktualisiert: 30.09.2013 19:24 Uhr

Wäre es nach der Intuition der Vatikanberichterstatter gegangen, dann lautete der Name des ersten Papstes aus Lateinamerika nicht Jorge Mario Bergoglio, sondern Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga. Der 70 Jahre alte Kardinal aus Honduras galt schon beim Konklave 2005 als einer der Favoriten.

Jetzt ist er zwar nicht Papst, aber er steht Franziskus so nahe wie wenige in Rom. Der Salesianer Maradiaga ist Koordinator der achtköpfigen Gruppe aus Kardinälen, die sich ab Dienstag drei Tage lang im Vatikan trifft, um den Papst zu beraten. Es geht um die Reform der Kurie und die Frage, wie die katholische Kirche künftig geführt werden soll. Das klingt ein wenig abstrakt. Doch für die Kardinäle, die sich im März vor der Wahl Bergoglios zu Beratungen in Rom trafen, handelt es sich um das Kernthema dieses Pontifikats. Wie kann das Verhältnis der Kirchenverwaltung zu den Ortskirchen verbessert werden? Wie kann die Kurie schneller, weniger bürokratisch und zentral geführt werden?

Unter den Kardinälen ist auch der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx. Maradiaga leitet das Gremium. Franziskus hat Maradiaga berufen, weil beide dasselbe Verständnis von Kirche haben. Beide mischen sich unters Volk, beide wollen eine weniger dominante Kirchenverwaltung, die nicht im Kontrast zum Leben der 1,2 Milliarden Katholiken steht, sondern ihnen dient.

Der Kardinal und der Papst kennen sich seit Jahrzehnten aus der lateinamerikanischen Bischofskonferenz und gehörten zu den bestimmenden Figuren der Versammlung von Aparecida im Jahr 2007. Damals entwarfen die lateinamerikanischen Bischöfe Leitlinien, die auch den Charakter des jetzigen Pontifikats prägen.

„Mehr Kollegialität

und Subsidiarität.“

Erzbischof Robert Zollitsch zu den deutschen Erwartungen an das Beratergremium

Ihr Ziel ist eine kollegiale, weniger ideologisierte Kirche, die sich um die Schwächeren kümmert und deren Vertreter authentisch sind. Mit der Formel „mehr Kollegialität und Subsidiarität“ umriss Erzbischof Robert Zollitsch nach der Vollversammlung der deutschen Bischöfe am Freitag in Fulda die Erwartungen an das Beratergremium. Kollegialität ist eine zentrale Forderung des Zweiten Vatikanischen Konzils an den innerkirchlichen Umgang von Papst und Bischöfen. Und Subsidiarität ist eine Grundforderung der katholischen Soziallehre: Höhere Hierarchie-Ebenen sollten nur tätig werden, wenn die niedrigere Ebene nicht mehr zurechtkommt.

Maradiaga, der trotz seiner 70 Jahre immer noch jugendliche Ausstrahlung hat, gilt als glaubwürdig. In seiner Heimat Honduras ist er ein Hoffnungsträger. Weil er sich mit den Drogenkartellen anlegte und Korruption verdammte, bewegt er sich zu Hause nur noch mit kugelsicherer Weste. Immer wieder sprach er sich für den Schuldenerlass verarmter Länder aus.

Seit kurzem ist er sogar Zimmernachbar des Papstes; wie Franziskus wohnt der Kardinal im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Ihre Verbindung ist eng. Umstritten ist Maradiagas Rolle während des Militärputschs 2009 in Honduras, als er sich gegen eine Rückkehr des bisherigen Präsidenten Manuel Zelaya aussprach. Wie Bergoglio ist Maradiaga reformorientiert und offen im Stil, aber doch der katholischen Tradition eng verpflichtet. Die Vielseitigkeit des Kardinals ist legendär. Er spricht fünf Sprachen, darunter Deutsch, und studierte Fächer wie Theologie, Chemie, Physik, Psychologie und Musikwissenschaften. Außerdem ist er Psychotherapeut, ein guter Saxophonist und Pianist. Früher war er sogar als Chor- und Orchesterleiter tätig.

Jetzt muss er den Chor der acht Kardinäle leiten und Franziskus Vorschläge für die Kurienreform unterbreiten. Den Geschmack seines Chefs dürfte er dabei so gut kennen wie kaum ein anderer. Mit Informationen von epd/san

Kardinalgruppe für Kirchenreform wird Dauereinrichtung

Ein päpstliches Schreiben verfügt, dass die derzeit acht Kardinäle das Oberhaupt künftig ständig bei der Kirchenleitung unterstützen sollen. Der von Papst Franziskus eingesetzte Kardinalsrat zur Kurienreform wird damit eine Dauereinrichtung. Franziskus behält sich vor, den Rat um weitere Kardinäle zu erweitern und nur einzelne oder alle Mitglieder von Fall zu Fall einzuberufen. Dem Rat gehört auch der Münchner Kardinal Reinhard Marx an.

Am Dienstag tritt der Rat erstmals zu einer dreitätigen Beratung mit Franziskus im Vatikan zusammen. Das Treffen finde in der Privatbibliothek des Apostolischen Palastes statt, sagte Vatikansprecher Federico Lombardi am Montag. Zur Diskussion stünden rund 80 Dokumente mit Reformvorschlägen von den Kardinälen, aus der Kurie und aus anderen Teilen der Weltkirche. Daraus solle nun eine Prioritätenliste erstellt werden. Franziskus wolle die Beratungen persönlich einführen, ansonsten aber hauptsächlich zuhören, so Lombardi. Eine Veröffentlichung von Arbeitspapieren, Protokollen oder Beschlüssen sei nicht geplant.

Nach dieser ersten Runde sollten weitere Treffen folgen, sagte der Sprecher. Er rechne mit einem längeren Beratungsprozess. Die Konferenz der Reformgruppe findet im Privaten statt. Die teilnehmenden Kardinäle wohnen mit dem Papst im vatikanischen Gästehaus Santa Marta. Sie waren bereits am Samstag zu einem informellen Austausch zusammengekommen. Lombardi betonte, der Kardinalsrat sei ein beratendes, kein beschließendes Gremium. Der Rat trete neben bestehende Instanzen, wie etwa die Versammlung der Kurienleiter, und solle die Konsultationen an der Kirchenspitze bereichern. Dabei agiere der Kardinalsrat selbstständig und sei unabhängig von anderen Strukturen des Vatikans. Papst Franziskus hatte den Rat am 13. April ins Leben gerufen. Text: KNA

 
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