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Der Verkäufer des Grauens
Brian Way wird beschuldigt, sexuell explizite Bilder und Filme von Kleinkindern und Teenagern produziert und über die kanadische Firma Azov Films exportiert zu haben.
Evangelischer Pressedienst
 |  aktualisiert: 16.11.2015 15:48 Uhr

Der Mann hinter dem kanadischen Videoverleiher Azov Films kann sich nicht mehr in der Anonymität verstecken. Brian Way aus Toronto ist die zentrale Figur in der Untersuchung „Projekt Spaten“ der kanadischen Polizei, die im vergangenen November einen internationalen Kinderporno-Ring sprengte. Der 42-jährige Way wird beschuldigt, sexuell explizite Bilder und Filme von Kleinkindern bis zu Teenagern produziert, verteilt, besessen und exportiert zu haben. Seine Firma Azov Films ist heute in Deutschland in aller Munde, weil deren Aktivitäten zum Verdacht gegen den Politiker Sebastian Edathy führten.

Brian Way verkaufte sein Material, das die Polizei als pornografisch einstuft, in 94 Ländern und verdiente damit rund vier Millionen kanadische Dollar (rund 2,6 Millionen Euro). Für die Polizei in der Großstadt Toronto war es der größte Fall auf diesem Gebiet – und der entsetzlichste: Hunderttausende von Bildern zeigten „schrecklichen sexuellen Missbrauch – etwas vom Schlimmsten, was Polizeibeamte gesehen haben“, sagte Joanna Beaven-Desjardins, die der Sonderabteilung für Sexverbrechen der Polizei in Toronto vorsteht. Mit seinem Kinnbart und dem gepflegten Haarschnitt fiel Brian Way in der Industriezone im Westen Torontos nicht auf, wo sich das Büro von Azov Films hinter einer verspiegelten Tür befand. Jeden Morgen, so berichtete die Zeitung „Toronto Star“, habe er sich in Jeans und Sweatshirt einen Kaffee bei Tim Hortons geholt. Es ist ein Klischee, aber der Postbote fand Brian Way charmant: er habe ihm an Weihnachten immer eine Flasche Wein geschenkt. Und die Angestellte von Brian Ways Bank heuerte ihren netten Kunden sogar als Hochzeitsfotografen an.

Es waren aber ganz andere Bilder, mit denen Brian Way das große Geld machte.

Als die Polizei im Mai 2011 sein Büro in einem Wohnblock nahe des Gardiner Expressways durchsuchte, fanden sie so viel Material, dass es aufgeschichtet einem Papierstapel in der Höhe von 15 Aussichtstürmen entsprochen hätte.

Die Durchsuchung fand statt, nachdem sich ein verdeckter Ermittler als „Kunde“ in Brian Ways Online-Geschäft eingefädelt hatte. Der Ermittler war erstaunt, wie groß der Bilderbestand des Internet-Anbieters war. „Eine der größten Sammlungen von Kinderpornografie, die wir je gesehen haben“, nannte es die Sondereinheit der Polizei von Toronto später. Laut den kanadischen Ermittlern war Brian Way sehr vorsichtig, um nicht mit seinen dunklen Geschäften erwischt zu werden. Er habe täglich zehn bis fünfzehn Kaufangebote für Porno-Material abgelehnt. Der Kanadier versandte auch einschlägige DVDs per Post.

Seine Webseite war ähnlich wie jene von Amazon aufgebaut, mit Hitlisten und Kundenrezensionen, einem Suchkatalog und digitalen Downloads. Der Betreiber behauptete, dass allein im Jahr 2010 mehr als drei Millionen Benutzer die Webseite aufgesucht hätten. Den Kunden wurde auch ausführlich versichert, dass keiner der angebotenen Filme gegen die Gesetze in Kanada oder den USA verstießen. Die Filme von nackten und halb nackten Jungs, viele aus Rumänien und der Ukraine, verkaufte Way als Material für FKK-Anhänger.

Die rumänischen Kinder etwa wurden durch Karate-Schulen angelockt und dann für sexuell explizite Aufnahmen ausgebeutet.

Azov Films war nicht etwa unauffindbar. Ein Amerikaner namens David Eisenlohr stritt sich öffentlich mit der kanadischen Firma. Eisenlohn behauptete, Azov Films stehle seine FKK-Filme und verkaufe sie dann billig. Der Amerikaner beklagte sich im Jahr 2007 sogar beim damaligen Justizminister Kanadas, Rob Nicholson, über Azov Films.

Die kanadischen Ermittler hatten Brian Way schon früher im Visier gehabt. Im Jahr 2006 untersuchte die Polizei seine Firma. Aber dann wurde der Fall eingestellt, weil man nicht genügend belastendes Material fand. Seither hat sich die Sachlage drastisch geändert.

Brian Way wurde im Mai 2011 verhaftet und befindet sich seither im Untersuchungsgefängnis. Die Polizei beschuldigt ihn auch, eine kriminelle Organisation unterhalten zu haben. Seine Mutter Sandra Waslov, die in den USA vermutet wird, soll nach Polizeiangaben ebenfalls verwickelt sein. Sie ist untergetaucht und wird polizeilich gesucht. Ein mutmaßlicher Mitarbeiter Ways war der deutsche Videofilmer Markus Roth. Er wurde im August 2010 in Rumänien verhaftet und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil er mehr als 100 pornografische Filme von rumänischen Kindern produziert habe. Laut Zeitungsberichten habe Brian Way diese Filme für mehr als 1000 US-Dollar je Stück verkauft.

Unter seinen Kunden befanden sich Ärzte, Lehrer, Polizeibeamte, Pfadfinderführer, Pflegeeltern, Priester, Krankenpfleger und Sporttrainer. Der anerkannte amerikanische Arzt Richard Keller aus Massachusetts zum Beispiel kaufte laut US-Gerichtsdokumenten 50 Filme oder Bilder von Brian Way im Wert von 2695 US-Dollar. Als die Polizeibehörden in vielen Ländern zuschlugen, wurden 348 Leute verhaftet. Die Zahl der Opfer ist allerdings viel höher: Bislang konnten 386 missbrauchte Kinder, die meisten sind Jungs, auf der ganzen Welt gerettet werden.

Fragen und Antworten zum Fall Edathy

Was hat die Staatsanwaltschaft Hannover gegen den früheren Abgeordneten Sebastian Edathy in der Hand? Nach den bisherigen Erkenntnissen der Ermittler hat Edathy zwischen Oktober 2005 und Juni 2010 in Kanada neunmal Material bestellt, das sich nach den Worten von Amtschef Jörg Fröhlich im Grenzbereich zur Kinderpornografie bewegt. Die 31 Videos und Foto-Sets zeigten „nackte Knaben, die toben, spielen, sich darstellen – alles mit Bezug zu den Genitalien“. Ob das schon für eine Anklage ausreicht, ist jedoch unklar. Die Ausbeute bei der Durchsuchung von Edathys Wohnungen und seines Wahlkreisbüros war eher dürftig. Teilweise sollen Festplatten zuvor gelöscht beziehungsweise zerstört worden sein, einen weiteren Rechner bekamen die Beamten gar nicht erst in die Hände – Edathy hat ihn dem Bundestag in der vergangenen Woche als gestohlen gemeldet. Hatte der ehemalige SPD-Abgeordnete einen Informanten, der ihn gewarnt hat? Hier widersprechen sich die bisherigen Aussagen des Verdächtigen erheblich. In einem Interview mit dem „Spiegel“ behauptet Edathy, er sei nicht gewarnt worden, sondern von sich aus initiativ geworden, als er von Ermittlungen gegen die kanadische Firma gelesen habe, deren Kunde er war. Dem früheren niedersächsischen Justizminister Heiner Bartling dagegen tischte der 44-Jährige bei einem Telefonat in der vergangenen Woche offenbar eine andere Version auf. Danach hatte Edathy sehr wohl einen Informanten, der sinngemäß erklärt haben soll: „Da läuft etwas gegen dich, was zu einem Ermittlungsverfahren führen kann.“ Für Bartling klang das allerdings nicht so, als sei der Tipp aus der Politik gekommen. Im Umkehrschluss hieße das: Bei der Staatsanwaltschaft oder den Polizeibehörden in Edathys Heimat, die ebenfalls schon früh informiert waren, hätte jemand geplaudert. Die drei SPD-Granden Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann bestreiten, den Genossen Edathy gewarnt zu haben.

Warum blieb Edathys Abgeordnetenbüro bei der Durchsuchungsaktion außen vor?

Noch so eine Ungereimtheit. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat die Bundestagsverwaltung gebeten, das Büro Edathys zu versiegeln und dessen Daten zu sichern. Warum das nicht geschehen ist, ist nach wie vor unklar. Eine entsprechende Anfrage unserer Zeitung blieb bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe unbeantwortet. Möglicherweise bekommen die Ermittler aber noch Zugriff auf die Daten: Auf Bitten von Edathys Nachfolgerin Gabriele Groneberg hat die Parlamentsverwaltung die Rechner am Montag aus dem Büro geräumt und verwahrt. Warum war der Brief, mit dem die Staatsanwaltschaft den Bundestag informierte, sechs Tage unterwegs?

Auch dafür gibt es keine schlüssige Erklärung. Wurde der Brief abgefangen? Hat der private Postdienst, der ihn zugestellt hat, geschlampt? Auch diese Frage beantwortete die Bundestagsverwaltung gestern nicht. Text: RWA

Angela Merkel (CDU) am Sonntag mit ihrem Vize Sigmar Gabriel (SPD).
Foto: dpa | Angela Merkel (CDU) am Sonntag mit ihrem Vize Sigmar Gabriel (SPD).
 
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