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NEWTOWN
Der Todesschütze: Introvertiert und schwierig
Nach der Beerdigung: Angehörige eines getöteten Kindes verlassen den Friedhof in Newtown.
Foto: dpa | Nach der Beerdigung: Angehörige eines getöteten Kindes verlassen den Friedhof in Newtown.

Von unserem Korrespondenten

Jens Schmitz

 |  aktualisiert: 16.11.2015 15:48 Uhr

Wenige Tage nach dem Amoklauf des 20-jährigen Adam Lanza an einer Grundschule in Newtown, Connecticut, versuchen die USA, ein Bild über seinen Familienhintergrund und mögliche Motive zusammenzusetzen.

Zwar hüllt sich Polizeisprecher Paul Vance weiter in Schweigen, wo keine Sicherheit besteht. Unter Berufung auf andere Beamte und eigene Recherchen beginnen die Medien aber eine mehr oder weniger einheitliche Geschichte zu entwickeln. Am meisten Beachtung erfahren eine angebliche Erkrankung des Jungen am sogenannten Asperger-Syndrom und ein Computer, den die Polizei in seinem Elternhaus sichergestellt hat. Lanza hat ihn allerdings so heftig zerstört, dass die Ermittler fürchten, keine Daten mehr retten zu können.

Adams Mutter Nancy Lanza, geborene Champion, heiratete ihren Mann Peter 1981 und hatte mit ihm zwei Söhne, den heute 24-jährigen Ryan und den vier Jahre jüngeren Adam. Die Scheidungspapiere erzählen von Wohlstand: Peter Lanza ist bis heute in führender Position bei General Electric tätig, seine Frau arbeitete zumindest vorübergehend für einen Versicherungskonzern. 1998 bezog die Familie ein großes Haus in Newtown.

Es ist unklar, ob es die Entwicklungsstörungen des jüngeren Sohnes waren, die die Ehe zermürbten, aber 2009 reichte das Paar die Scheidung ein. Verwandte und Freunde schildern den Prozess als zivilisiert und freundschaftlich. Der ältere Sohn Ryan lebte inzwischen in New York, das Sorgerecht für Adam ging an die Mutter. Die Unterhaltszahlung des Vaters betrug 240 000 Dollar im Jahr und sollte bis 2015 auf knapp 300 000 steigen, eine Großzügigkeit, die als Konzession an die Bedürfnisse Adams gedeutet wird.

Das Asperger-Syndrom gilt als milde Form des Autismus, die Betroffenen leiden unter Schwierigkeiten im sozialen Umgang. Experten betonen aber, dass die introvertierten Patienten sich eher selbst verletzten, als eine Bedrohung für andere darzustellen. Nancy Lanza hat sich nach der Trennung hauptsächlich ihrem Sohn gewidmet. Über dessen Schulkarriere sind unterschiedliche Interpretationen im Umlauf, der Junge wechselte von einer öffentlichen an eine private Einrichtung, wurde zeitweise von seiner Mutter zu Hause unterrichtet und belegte mit wechselndem Erfolg Kurse an der Western Connecticut State University.

Für seine Mutter soll er einen Großteil ihres Lebensinhalts bedeutet haben. „Alles, was sie in ihrem Leben gemacht hat, war darauf ausgerichtet, dass er versorgt ist“, sagte Russell Hanoman, ein Freund der Mutter. Doch auch die Beziehung zur Mutter sei nicht einfach gewesen. Als er einmal krank gewesen sei, habe er sie nicht in sein Schlafzimmer lassen wollen, erzählte Ellen Adriani, eine Freundin der Mutter. „Aber er wollte doch, dass Nancy für ihn da ist und so campierte sie die ganze Nacht vor seiner Schlafzimmertür.“

Aufsehen erregten zunächst Berichte, wonach der zurückgezogene Adam in der Highschool vorübergehend einem Technikklub beigetreten sei. Dort sollen auf sogenannten LAN-Partys Videospiele gespielt worden sein. Die Mutter eines ehemaligen Klubmitglieds sagte aber gegenüber der „Washington Post“, ihr Sohn habe ihr nach den jüngsten Vorfällen erneut versichert, es habe sich nicht um Gewaltspiele gehandelt – der Wunsch nach einfachen Erklärungen hat bislang keine Antworten gefunden. Die zerstörte Festplatte auf Lanzas Computer lässt die Ermittler fürchten, dass auch dieses Fenster in sein Seelenleben verschlossen bleibt.

Nancy Lanza ließ nur selten durchblicken, dass die Betreuung ihres Sohnes ihr zunehmend Sorgen bereitete. Sie soll Bekannten anvertraut haben, dass sie glaubte, eine Universität gefunden zu haben, die seinen Bedürfnissen entsprechen könne. Weggefährten sagten, die begeisterte Schützin habe versucht, ihrem Sohn Verantwortungsgefühl durch den Umgang mit Waffen beizubringen, beide hatten getrennt und gemeinsam Schießstände in der Umgebung besucht. Am Freitag tötete er sie mit vier Schüssen in ihrem Bett, bevor er in ihrem Wagen zur Sandy Hook Elementary School fuhr.

Mit Material von dpa

 
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