Hätte der US-Regisseur Abel Ferrara diese Geschichte für seinen neuen Film einfach erfunden, man hätte sie wohl als unrealistisch abgetan und den tiefen Absturz eines der mächtigsten Männer der Welt als überzeichnet: vom angesehenen Ökonomen, auf dem Sprung, französischer Präsident zu werden, zum weltweit verachteten Lustmolch. Job, Ansehen, Frau: Alles verliert er wegen ein paar verhängnisvoller Minuten in einer New Yorker Hotelsuite. Der Klage eines Zimmermädchens, er habe sie zum Oralsex gezwungen, folgten weitere Sex-Vorwürfe und das abrupte Ende seines Höhenflugs.
Der dramatische Fall eines Übermütigen, der sich für unverwundbar hielt, ist gerade deshalb großartiger Kinostoff, weil ihn das Leben geschrieben hat. Ferrara verfilmt 2013 das Schicksal des Dominique Strauss-Kahn, ehemals Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF). Dass ausgerechnet der französische Profi-Rüpel Gérard Depardieu die Hauptrolle übernimmt, erscheint als weiterer Affront. Depardieu spielt Strauss-Kahn, weil er ihn nicht mag: „Er ist nicht liebenswert, ein wenig arrogant, süffisant.“
Aus dem Visier der US-Justiz
Das ist heute die allgemeine Meinung über DSK, wie Dominique Strauss-Kahn in Frankreich genannt wird. Dabei war er einmal beliebtester Politiker und aussichtsreichster Kandidat der Sozialisten für die Präsidentschaftswahlen. Nun ist der 63-Jährige seit wenigen Tagen zwar aus dem Visier der US-Justiz. Nachdem die strafrechtliche Klage der Hotelangestellten Nafissatou Diallo bereits einige Monate nach dem Vorfall im Mai 2011 fallen gelassen worden war, kam es nun zu einer außergerichtlichen Einigung, um auch einen Zivilprozess zu vermeiden. Wie viel Geld dabei floss, bleibt vertraulich, aber es sollen Millionen gewesen sein. Strauss-Kahn hatte immer von einvernehmlichem Sex gesprochen. Doch ein schmutziger Verdacht wird wohl hängen bleiben.
Zumal diese Affäre erst der Anfang war. Im Anschluss warf die französische Autorin Tristane Banon Strauss-Kahn vor, er habe sie im Februar 2003 vergewaltigen wollen. Mangels Beweisen erkannte das Gericht lediglich eine „sexuelle Aggression“ an, die schon verjährt war.
Der Callgirl-Skandal
Folgenreicher könnte seine Verwicklung in einen Callgirl-Skandal und der Vorwurf der „bandenmäßigen Zuhälterei“ sein. Strauss-Kahn gibt seine regelmäßige Teilnahme an Sex-Partys zu, bestreitet aber gewusst zu haben, dass die anwesenden Damen Prostituierte waren. An diesem Mittwoch entscheidet ein Gericht in Paris, ob es deswegen zu einer Anklage kommt.
Sein Ruf scheint jedenfalls dauerhaft ruiniert. Inzwischen packten weitere Frauen aus, zeichneten das Bild eines notorischen Schürzenjägers. Eine Parteifreundin erklärte, sie hätte grundsätzlich vermieden, mit DSK allein zu sein. Einmal soll er bei einer Polizeikontrolle im Bois de Boulogne angetroffen worden sein, dem berüchtigten Park im Pariser Westen, der sich nachts zur Prostitutionszone verwandelt.
Hatten Medien und politische Weggefährten Strauss-Kahn bis zu den Skandalen gedeckt, so schwenkten sie nun um, schienen dem Voyeurismus keine Grenzen mehr gesetzt, verfolgten ihn ständig Paparazzi. Als er nach der Trennung von seiner Frau Anne Sinclair, die ihn während des Prozesses standhaft unterstützt hatte, Möbel einkaufte, gingen die Fotos sofort durchs Internet. Sporadisch tritt der Ökonom öffentlich auf, um sich zur Weltwirtschaft zu äußern. Seine Meinung wird noch gehört, doch das öffentliche Interesse an DSK schwächt sich ab. Das ist wohl auch der Moment, wo der Film über seinen Absturz endet.