Die Vorwürfe der massiven Steuerhinterziehung müssen noch gar nicht bewiesen sein – da scheint der Absturz des Topmanagers Carlos Ghosn längst unaufhaltsam. Und entsprechend der vorherigen Höhen, in denen sich der 64-Jährige bewegte, droht der Fall sehr tief zu werden. Die Festnahme des bisherigen Chefs der französisch-japanischen Allianz aus Renault, Nissan und Mitsubishi in Tokio aufgrund des Verdachts, er habe über Jahre hinweg gegenüber dem japanischen Fiskus einen Teil seiner Millionenbezüge verschleiert und Kapital von Nissan für seine persönlichen Zwecke genutzt, wirkte auch in Frankreich wie ein Erdbeben.
Mit einer Art distanzierter Bewunderung betrachtete man hier bislang den Mann mit den drei Staatsbürgerschaften, der in Brasilien geboren wurde, im Libanon aufwuchs und in Frankreich nach dem Besuch einer Elitehochschule für Ingenieure seine Karriere beim Unternehmen Michelin begann, dessen Nordamerika-Chef er 1990 schließlich wurde.
1996 kam er zum damals kriselnden französischen Autobauer Renault, der bald darauf schwarze Zahlen schrieb. „Weltbürger“ nannte sich der mehrsprachige Kosmopolit und Vater von vier Kindern selbst in seiner 2003 erschienenen Autobiografie mit ebendiesem Titel. Selbstbewusst stellte sich Ghosn auf Augenhöhe mit den Staats- und Regierungschefs, die er traf.
Als krisenfester Firmenmanager war er angesehen. 1999 rettete er Nissan vor dem Bankrott, dessen Chef er 2001 wurde – und dessen Vorstand gerade seinen vorzeitigen Abgang beschlossen hat. 2010 überstand er eine Spionageaffäre bei Renault und erwarb sich bei dem französischen Autobauer den Ruf eines harten, aber effizienten „Kostenkillers“. Vor allem aber geht die geschickte Verflechtung der französisch-japanischen Allianz auf sein Konto, die jährlich mehr als zehn Millionen Autos produziert.
Die Zukunft dieses mächtigen Industriebündnisses erscheint nun aber ungewiss, da Ghosn keinen Nachfolger aufgebaut hat, um nach ihm ein erfolgreiches Fortbestehen zu sichern. Neben-Chefs akzeptierte er nicht. Schon vor dem nun aufgekommenen Verdacht, Carlos Ghosn habe jahrelang nur gut die Hälfte seiner eigentlichen Einkünfte deklariert, galt er in Frankreich als Mann, der nicht genug bekommen kann. Mit seinem – zumindest offiziell angegebenen – Jahresgehalt von 16,55 Millionen Euro im vergangenen Jahr, das sich aus seinen beiden Chefposten ergab, gehörte er zu den am besten verdienenden Topmanagern des Landes. Das war umso umstrittener, da der französische Staat 15 Prozent an Renault hält, dessen Vertreter bei den Aktionärshauptversammlungen gegen Ghosns Spitzengehalt stimmten. Foto: afp