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BRÜSSEL/STRAßBURG
Der Stempel im Pass ist passé
Problematische Stempel: Wann sich ein zweiter Reisepass lohnt       -  Für Einreisende aus Nicht-EU-Ländern gibt es bald keine Stempel mehr im Reisepass.
Foto: Elke_Wentker, dpa | Für Einreisende aus Nicht-EU-Ländern gibt es bald keine Stempel mehr im Reisepass.
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 05.11.2017 02:57 Uhr

Am Anfang stand ein Satz von Jean-Claude Juncker: „Wir müssen wissen, wer über unsere Grenzen kommt.“ Am gestrigen Mittwoch gab es den passenden, über eine Milliarde Euro teuren Beschluss des Europäischen Parlamentes dazu: Die EU-Staaten schaffen ein neues Informationssystem für ein- und ausreisende Angehörige von Drittstaaten (EES). Gestartet wird 2020, wenn die technische Infrastruktur bei der europäischen IT-Agentur Lisa im estnischen Tallinn steht.

Es ist ein Mammutprojekt: An den rund 1800 Grenzkontrollstellen der Union, die pro Jahr rund 200 Millionen Bürger aus Nicht-EU-Staaten benutzen, sollen die persönlichen und biometrischen Daten erhoben und abgespeichert werden: Per Scan landet das Gesicht ebenso auf der Festplatte wie die Fingerabdrücke. Den Stempel im Pass gibt es dann nicht mehr, da die Registrierung automatisch erfolgt.

Hinweise an die Grenzschutzbehörden

Im Falle ausländischer Gäste, die beispielsweise länger bleiben, als ihr Visum dies erlaubt, könnten automatische Hinweise an die Grenzschutzbehörden ergehen, die diese sogenannten „Overlayer“ ausfindig machen und zur Ausreise auffordern. Experten sehen darin sogar schon den Start eines völlig neuartigen Systems der Grenzübergangskontrolle.

Matthias Knetsch, Führungsmitglied der IT-Dienstleisters Sita, der vorrangig für moderne Airports arbeitet, beschreibt dies so: Wenn erst einmal alle biometrischen Daten von Passagieren erfasst würden, „können diese jede Station ihrer Reise – vom Check-In bis zum Boarding oder der Einreisekontrolle – einfach per Gesichtserkennung passieren, ohne ihren Ausweis oder Boardingpass vorzuzeigen“. Tatsächlich sehen auch viele Europa-Politiker in EES ein Schlüsselsystem, damit „die Kontrollen möglichst rasch und effizient vonstattengehen, denn diese Menschen (aus Drittstaaten, d. Red.) sollen frei in die EU ein- und ausreisen können“, erklärte die CSU-Innenpolitikerin Monika Hohlmeier.

Ist das Vorhaben europarechtskonform?

Doch die Zweifel sind groß, ob das alles europarechtskonform sein kann. Bereits 2014 und 2016 wischte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg eine „allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung“ vom Tisch. Wer Daten erheben und vor allem drei Jahre und mehr speichern wolle, müsse dies „auf das absolut Notwendige begrenzen“. Nahrung bekommen die Skeptiker durch ein Gutachten, dass die Grünen-Fraktion im EU-Parlament bei der Universität Luxemburg in Auftrag gegeben hat. Die Experten werteten die vorliegenden Urteile des EuGH aus und kamen vor wenigen Tagen zu dem Ergebnis, dass Daten von Passagieren nur dann über den Reisezeitraum hinaus gespeichert werden dürften, wenn es „objektive Anhaltspunkte“ für Terrorgefahr oder schwere Kriminalität gebe.

Damit steht nicht nur EES, sondern auch das europäische Fluggastdatenabkommen (PNR), das 2018 starten soll, auf juristisch wackeligen Füßen. Denn auch dort werden unterschiedslos persönliche Informationen aller Reisenden erfasst.

Gegner wenden sogar ein, dass die EU längst mit dem sogenannten Schengen-Informationssystem (SIS) über ein Netzwerk verfüge, das alle wichtigen Angaben über ein- und ausreisende Drittstaatsangehörige enthalten könnte, wenn alle Mitgliedstaaten diese bereitstellen würden – was sie eben nicht tun.

Wenigstens diese Lücke könnte EES schließen. Denn dort würden alle persönlichen und biometrischen Daten automatisch erhoben und für alle Kontrollstellen bereitgestellt.

 
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