Helmut Kohl war noch Kanzler, als er den Deutschen ein historisches Versprechen gab: „Der Solidaritätszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg.“ 20 Jahre später ist noch immer keine Abschaffung der umstrittenen Abgabe in Sicht, nachdem Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) offenbar sehr unterschiedliche Ziele verfolgen: Altmaier will den Soli bis 2026 schrittweise für alle Steuerzahler auslaufen lassen, im Modell seines Kontrahenten Scholz dagegen würden ihn die Gut- und Besserverdiener unbefristet weiter bezahlen, alles in allem würde der Bund dadurch dauerhaft mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr einnehmen.
Verfassungsrechtliches Risiko
Bahnt sich damit ein Hauskrach in der Koalition an? Durch die Pläne von Scholz würden viele Unternehmer und Freiberufler, die einen großen Beitrag zum Wohlstand des Landes leisteten, von einer Entlastung ausgeschlossen, kritisiert Altmaier – obwohl die Kanzlerin die Vorschläge des Finanzministers bereits abgenickt hat. Überdies sei es ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko, einen Teil der Steuerzahler von der Abschaffung auszunehmen. Bei einer teilweisen Abschaffung, wie sie Scholz vorschwebt, werde die Hälfte des „Soli“ weiter gezahlt – „und zwar auf unbegrenzte Zeit, ohne klare Perspektive, wann er abgeschafft wird“. Die Politik, so Altmaier weiter, habe den Menschen vor 30 Jahren jedoch versprochen, dass der Soli komplett abgeschafft werde.
„Kritische Überprüfung“
Pünktlich zum Koalitionsgipfel am Sonntag hat der Wirtschaftsminister deshalb ein eigenes Modell vorgelegt, das er auch als Beitrag zur Entlastung der Unternehmen versteht – rund drei Millionen Unternehmen in Deutschland sind Personengesellschaften, sie zahlen als Unternehmenssteuer die Einkommenssteuer und damit auch den Solidaritätszuschlag. Zur Gegenfinanzierung schlägt Altmaier unter anderem eine „kritische Überprüfung“ von Subventionen und eine Reduzierung der bundeseigenen Unternehmensbeteiligungen vor. Im Moment bringt der Soli dem Bund fast 20 Milliarden Euro pro Jahr ein.
Nach den Worten von Regierungssprecher Steffen Seibert ist der Vorschlag von Scholz, zunächst nur 90 Prozent der Steuerzahler zu entlasten, „ein guter und großer erster Schritt“. Eine vollständige Abschaffung des umstrittenen Zuschlages sei dann eine Aufgabe für die nächste Legislaturperiode.
FDP-Chef Christian Lindner warnt die Koalition dagegen vor einem halbherzigen Vorgehen bei der Abschaffung des Zuschlags: „Der Soli muss schnellstmöglich und für alle abgeschafft werden.“ Deutschland stehe vor einer Wirtschaftskrise. Die Abschaffung des Solidaritätszuschlags zum schnellstmöglichen Zeitpunkt wäre ein wichtiger Beitrag, diese Krise zu verhindern. Altmaiers Modell sei Augenwischerei. Vor den Wahlen, diesmal vor den beiden Wahlen in Sachsen und Brandenburg Anfang September, werde etwas versprochen. „Und nach den Wahlen wird davon nichts gehalten.“
Reinhold von Eben-Worlée, den Präsidenten des Verbands der 180 000 Familienunternehmer, stört vor allem der späte Termin an Altmaiers Vorschlag. „Bis 2026 bedeutet, dass deutsche Unternehmen noch in weiteren zwei Legislaturperioden im internationalen Wettbewerb mit dem Soli-Handycap überstehen müssten. Das ist deutlich zu lang.“
Soli und Schuldenbremse
Ähnlich argumentiert das Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung, das angesichts der Konjunkturschwäche eine Abschaffung des Zuschlages bereits im nächsten Jahr empfiehlt. „In den letzten Monaten hat die Wahrscheinlichkeit einer Rezession zugenommen“, sagt ifo-Präsident Clemens Fuest. Mit der Schuldenbremse im Grundgesetz sei ein rasches Ende des Soli seiner Ansicht nach vereinbar. „Im Bundeshaushalt die Schwarze Null zu halten, ist demgegenüber nachrangig.“