Hunderte Tote, Zehntausende Menschen auf der Flucht vor Gewalt und Terror, und trotz der Bemühungen der afrikanischen Nachbarn ist kein dauerhaftes Ende der Kämpfe im Südsudan in Sicht. Der politische Konflikt könnte die jüngste Nation des Kontinents vor den für 2015 geplanten Wahlen in den Abgrund treiben, befürchten Beobachter. Vor allem zwei Männer bestimmen den Kurs: Präsident Salva Kiir und sein ehemaliger Vize und heutiger Hauptkontrahent Riek Machar.
„Es gibt Leute in der (herrschenden) Partei, die glauben, Präsident Kiir hat sich mit Anti-Reformelementen umgeben und werde daher zunehmend diktatorisch“, berichtet Andrews Atta-Asamoah vom Institut für Sicherheitsstudien. Die in Südafrika ansässige unabhängige Forschungs- und Beratungseinrichtung hat innerhalb der regierenden Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM) im Vorfeld der Wahlen wachsende Spannungen ausgemacht.
Die aktuellen Kämpfe waren am 15. Dezember ausgebrochen. Kiir beschuldigt seinen ehemaligen Stellvertreter Machar, ihn aus dem Amt putschen zu wollen. Machar jedoch führt die Gewalt auf die Wut seiner Anhänger zurück, die seine Absetzung als Vizepräsident im Zuge einer Regierungsumbildung im Juli nicht hinnehmen wollten. Und er wirft dem Präsidenten „diktatorische Tendenzen“ vor.
Weder Kiir noch Machar nennen ethnische Gründe für ihre Fehde. Sie spiegelt aber den unterschwelligen Konflikt im Land. Kiir ist Angehöriger der größten Volksgruppe, der Dinka. Sein Rivale Machar ist als Nuer Mitglied des zweitgrößten Volkes im Südsudan.
Die Dinka und die Nuer
Beide sind seit Jahrzehnten im Konflikt um die Unabhängigkeit des Südsudans an vorderster Front aktiv – zogen dabei aber längst nicht immer an einem Strang. Machar war 1991 maßgeblich für die Abspaltung des bewaffneten Flügels der SPLM verantwortlich, die blutige ethnische Zusammenstöße zwischen Dinka und Nuer zur Folge hatte.
Seit Machar im Jahr 2002 wieder zur SPLM stieß, versucht er, sein Image zu wandeln. Er präsentiert sich als westlich ausgebildeter, moderner Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2015. Er wolle alle Südsudanesen „fair und gleich“ regieren, so das Versprechen. Seine Entlassung aus Kiirs Regierung im Juli hat Machars politische Ambitionen eher noch befeuert.
Auch Kiir hat keine weiße Weste. Ihm wurde schon mehrfach die Missachtung der Verfassung vorgeworfen. So entließ er selbstherrlich in drei Bundesstaaten die gewählten Gouverneure. Dem Präsidenten wird auch vorgeworfen, in die Fußstapfen des autokratischen SPLM-Gründers John Garang getreten zu sein.
Ob der unterschwellige ethnische Konflikt im Südsudan in den nächsten Monaten voll ausbricht, wird weitgehend von Kiir und Machar abhängen. Schon jetzt wird in sechs der zehn Bundesstaaten gekämpft, meist entlang der Siedlungsgrenzen verschiedener Volksgruppen.
Atta-Asamoah nennt als Grund für die schnell eskalierende Situation, dass die beiden politischen Protagonisten Unterstützer in der Armee haben, die sich jeweils einer Seite zuordnen. Der Forscher weist auch auf eine allgemeine Übermilitarisierung der politischen Landschaft Südsudans hin. „Meine größte Angst ist, dass die bestehenden ethnischen Spaltungen noch verstärkt werden“, sagt er.
Stabilisierung unwahrscheinlich
Emma Jane Drew, die für die Hilfsorganisation Oxfam im Südsudan aktiv ist, findet es vor allem wichtig, dass die politische und militärische Führung wieder die Kontrolle über alle bewaffneten Kräfte im Lande gewinnt. Die Soldaten dürften nicht weiterhin ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände nehmen, sagte Drew der Online-Publikation „Think Africa Press“.
Kiir traf sich in der Hauptstadt Juba jetzt mit seinem kenianischen Amtskollegen Uhuru Kenyatta sowie dem äthiopischen Regierungschef Hailemariam Desalegn, die versuchen, in dem Konflikt zu vermitteln. Machar dagegen blieb im Untergrund und machte einen Rücktritt Kiirs zur Bedingung für Gespräche.
Schon jetzt ist das Leid der Zivilbevölkerung im Südsudan kaum zu ermessen. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, berichtete von Verbrechen gegen die Menschlichkeit: „In den letzten Tagen sind massenweise außergerichtliche Tötungen und Angriffe auf Menschen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit dokumentiert worden.“
Mehr als 120 000 Menschen sind nach UN-Angaben seit Ausbruch der Kämpfe aus ihrer Heimat vertrieben worden, Zehntausende suchten Zuflucht bei UN-Friedenscamps im ganzen Land. Das Nachbarland Uganda, das einige tausend Flüchtlinge aufgenommen hat, hat Truppen nach Juba geschickt, die eine Stabilisierung der dortigen Regierung unterstützen sollen. Aber solange das Kriegsbeil zwischen Machar und Kiir nicht endgültig begraben ist, wird der Konflikt wohl weiter eskalieren.