So still, wie er fünf Jahre lang seinen Job ausfüllte, gab er ihn auch weiter: Am Sonntag endete die Amtszeit des 67-jährigen Herman Van Rompuy an der Spitze der EU-Staats- und Regierungschefs. Seit Montag wird nur noch über seinen Nachfolger gesprochen: Donald Tusk (57).
Große Antrittsreden sind in diesem Amt verpönt. Schließlich gilt der EU-Ratspräsident intern eher als Diener der 28 Staatenlenker, deren Gipfeltreffen er vorzubereiten und zu leiten hat. Die Show gehört den Staats- und Regierungschefs, der Neue hat sich dabei ebenso im Hintergrund zu halten wie der bisherige Amtsinhaber. Van Rompuy galt dabei als ideale Wahl, sagten dem einstigen belgischen Premierminister und Haiku-Hobbydichter doch viele nach, er beherrsche die Gabe, einen Raum voller Menschen zu betreten, darin herumzugehen und ihn wieder zu verlassen, ohne dass jemand merkte, dass er da war.
Tatsächlich aber wirkte der erste Inhaber der Position, die erst vor fünf Jahren durch den Lissabonner Vertrag geschaffen worden war, hinter den Kulissen als gewiefter Drahtzieher. Das wird von Tusk, der bis vor wenigen Monaten an der Spitze der polnischen Regierung stand und erheblichen Anteil an der europäischen Ausrichtung seines Heimatlandes hat, ebenso erwartet. So sagte der Pole, der als enger Vertrauter von Bundeskanzlerin Angela Merkel gilt, beim Bezug seines neuen Büros gestern nur ein paar grundsätzliche bedeutungsvolle Worte. „Die Beziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten sind das Rückgrat der Gemeinschaft von Demokratien“, bekannte er und betonte, er werde sich persönlich stark für das Zustandekommen des umstrittenen Freihandelsabkommens TTIP engagieren. Dafür lobten ihn andere wie der Chef der CDU-Abgeordneten im Europäischen Parlament, Herbert Reul, umso mehr. Er meinte, Tusk sei ein engagierter Europäer, der „sich nicht nur als Gipfelmanager“ verstehe. Er könne auch gut für die Nicht-Euro-Länder sprechen.
Tatsächlich wird die Amtsübernahme durch den ersten Osteuropäer in einem EU-Topjob als „große Chance“ gewertet – nicht zuletzt mit Blick auf die Beziehungen zu Moskau. Tusk, früher in der polnischen Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc engagiert, warnte früh vor dem Expansionsdrang Russlands und gilt schon alleine deshalb als idealer Gegenpol zu der neuen Außenbeauftragten der Union, Federica Mogherini, der man nach wie vor eine zu große Nähe zu Moskau unterstellt.
Doch zunächst wird der fußballbegeisterte Tusk andere Stolpersteine wegräumen müssen: Schon in zwei Wochen steht beim Gipfeltreffen der 28 Staats- und Regierungschefs Streit um das 315-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an, das vielen zu dürftig, zu wenig innovativ und zu gewagt finanziert erscheint.
Außerdem dürfte Tusk alle Mühe haben, um die britischen Absetzbewegungen zu bremsen. Sollte Londons Premier David Cameron tatsächlich ein Referendum über den Verbleib in der Gemeinschaft anstreben, wird es Tusks Aufgabe sein, ihm in die Parade zu fahren. Und zwar so, dass der Brite möglichst ohne Gesichtsverlust bleibt.
Dass Tusk für eine derart heikle Mission geschaffen ist, weiß man in Brüssel. Immerhin hat der neue Ratspräsident bereits am Tag des Einstands sein erstes Versprechen eingelöst: Bei seiner Ernennung vor einigen Wochen versprach er, sein Englisch aufzupolieren. Das hat schon mal geklappt.