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AMBERG/AUGSBURG
Der Neuanfang des Linus Förster
Von Holger Sabinsky-Wolf
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:08 Uhr

Es hat ganz schön gekracht während der letzten Stunden von Linus Förster im Gefängnis. In Amberg und Umgebung tobte am Sonntagabend ein Gewittersturm. Bäume stürzten um, Straßen wurden überflutet. Man könnte das Unwetter kurz vor der Haftentlassung des früheren Politikers nun als schlechtes Omen deuten. Man könnte aber auch von einem reinigenden Gewitter sprechen – wenige Stunden, bevor der ehemalige SPD-Landtagsabgeordnete am Montagmorgen die JVA Amberg verlassen und ein neues Leben in Freiheit angetreten hat.

Förster wird nach unseren Recherchen nun erst einmal in seine Heimatstadt Augsburg zurückkehren. Dort gibt es einige Menschen, die nach wie vor zu ihm halten, unter anderem die Frau, mit der sich der Ex-Politiker kurz vor dem Prozess verlobt hat. Förster muss Bewährungsauflagen erfüllen und wird in der speziellen bayerischen Datenbank für entlassene Sexualstraftäter (Heads) geführt.

Von der Schwierigkeit, wieder Fuß zu fassen

Welche Pläne er hat, ist nicht bekannt. Dass er in die Politik zurückkehrt, ist ausgeschlossen. Als 2016 die Vorwürfe gegen ihn bekannt geworden waren, legte er sein Landtagsmandat nach 13 Jahren nieder und trat aus der SPD aus. Sein Rechtsanwalt Walter Rubach sagt, Förster werde es sehr schwer haben, wieder Fuß zu fassen und einen Job zu finden. Dabei kann Förster Geld brauchen. Seine Abgeordnetenpension von rechnerisch 3600 Euro brutto ist er los. Die Prozesskosten in fünfstelliger Höhe musste er ebenfalls tragen. Und seinen Opfern hat er Entschädigungen von mehr als 30.000 Euro gezahlt.

Zwei Jahre und acht Monate hat der ehemalige schwäbische SPD-Chef und langjährige Landtagsabgeordnete Dr. Heinrich Linus Förster hinter Gittern verbracht, rund zwei Drittel der Strafe. Eine harte Zeit für den 54-Jährigen. Der promovierte Politikwissenschaftler verbrachte seine Tage unter einem Dach mit Gewalttätern, Drogendealern und Mördern. Der Mann, der einst als politische Hoffnung der schwäbischen Sozialdemokraten galt – er fand sich auf einer Stufe mit Schwerverbrechern. Aus Sicht seines Anwalts Rubach war das Gefängnis aber gar nicht das größte Problem für Förster. Man könne eine Haftstrafe durchstehen und sogar daraus lernen.

Schonungslose Analyse über das Triebverhalten

Das größte Problem für den Ex-Politiker werde die gesellschaftliche Ächtung sein, die ihm nun drohe. Denn die Straftaten, wegen derer Förster im September 2017 verurteilt worden ist, gelten gemeinhin als schmuddelig: Er hat zwei schlafende, teils unter starken Medikamenten stehende Frauen sexuell missbraucht, heimliche Sex-Filme gedreht und massenhaft Kinderpornos besessen. Förster gab sich zwar reuig, legte ein Geständnis ab und entschuldigte sich bei den Opfern, doch das Gefängnis ersparte ihm das nicht. Drei Jahre und zehn Monate lautete das Urteil. Richter Lenart Hoesch machte die Urteilsbegründung zu einer schonungslosen Analyse von Försters überbordendem Sexualtrieb. „Dr. Förster hat Frauen wie Trophäen gesammelt“, sagt Hoesch. Er sei eine „stark narzisstisch geprägte Persönlichkeit“, immer auf der Suche nach Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Depressionen und Aufenthalt in psychosomatischer Klinik

Die Worte des Richters waren so unangenehm für Förster wie der gesamte Prozess. Der frühere Sunnyboy und erfolgreiche Hobbymusiker wirkte vor Gericht stark angeschlagen. Sein ausschweifendes Sexualleben war zum Kernthema geworden. Das war auch peinlich für seine früheren Geliebten, die vor Publikum über ihr Intimleben berichten mussten. Letztlich blieb der Eindruck, dass sich Förster in den Jahren vor seiner Inhaftierung vorwiegend mit Sex und Pornografie beschäftigt hat und die politische Arbeit im Landtag eher nebenbei betrieb. Das hatte auch Folgen für seine eigene Psyche: Die Rolle als unbedeutender Oppositionspolitiker kratzte sehr an seinem Ego: Er verfiel in Depressionen. Und spätestens seit einem Aufenthalt in einer psychosomatischen Klinik am Chiemsee driftete er bei seinen häufig wechselnden und oft parallel geführten Affären in die Illegalität ab.

Zum Verhängnis wurde dem Ex-Politiker, dass er unbedingt seine eigenen Privatpornos drehen wollte. Anfangs filmte er den Geschlechtsverkehr noch mit dem Einverständnis der Frauen. Später fragte er nicht mehr, sondern drehte mit versteckten Kameras.

 
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