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WASHINGTON
Der nächste Obama-Coup

Von unserem Mitarbeiter

Simon Kaminski

 |  aktualisiert: 26.01.2017 03:53 Uhr

Von wegen „Lame Duck“. „Lahme Ente“ nennen US-Amerikaner einen Präsidenten in der Schlussphase seiner Amtszeit. Wenn also der Nachfolger schon gewählt ist und das Weiße Haus in einen politischen Winterschlaf fällt.

Doch Barack Obama ist hellwach und fällt Tag für Tag Entscheidungen. Sein letzter Coup: Die einschneidende Verkürzung der Haftzeit der Wikileaks-Informantin Chelsea Manning, die einer Begnadigung gleichkommt. Manning soll am 17. Mai vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen werden.

Das verfügte der US-Präsident wenige Tage vor der Vereidigung seines Nachfolger Donald Trump. Manning war 2013 wegen Spionage zu 35-jähriger Haft verurteilten worden, von denen sie fast sieben Jahre verbüßt hat.

Der Fall sorgte 2010 weltweit für Aufsehen. Damals war Manning noch ein Mann und diente als Bradley Edwards beim US-Militär. Der junge Soldat spielte der Enthüllungsplattform Wikileaks hunderttausende geheime Dokumente des US-Militärs und des Außenministeriums zu. Sie gaben Einblick in brisante Depeschen und Fehlverhalten von US-Militärs.

Besonders heikel war ein verstörendes Video, das Wikileaks im April 2010 veröffentlichte: Darauf ist aus der Sicht des Schützen zu sehen, wie ein US-Kampfhubschrauber im Irak zwölf Zivilisten erschießt. Im Hintergrund hört man die zynischen Kommentare des Piloten.

Schnell stellte sich heraus, dass Manning das Material Wikileaks zugespielt hatte. Einen Monat später wurde der damals 23-Jährige verhaftet und wegen Geheimnisverrats angeklagt. Bald nach der Verurteilung im Mai 2010 gab es neue Schlagzeilen: Manning ließ durch einen Anwalt mitteilen, dass er künftig als Frau leben wolle. Nicht zuletzt unter dem Eindruck eines Hungerstreiks gibt die Armeeführung schließlich nach und gestattet die Geschlechtsumwandlung: Aus Bradley Edward wird Chelsea Manning.

Gerüchte darüber, dass Obama Manning begnadigen will oder – wie nun geschehen – die Haftzeit extrem verkürzt, gab es schon länger. Dennoch reagierten konservative Politiker, Vertreter der Armee und der Geheimdienste jetzt entsetzt.

Hauptvorwurf: Durch die Entscheidung des Präsidenten werde die Hemmschwelle, Geheimnisse zu verraten, in Zukunft sinken. Doch Obama hat die amerikanische Verfassung auf seiner Seite. Sie erlaubt ihm, Begnadigungen auszusprechen. Unterschieden wird dabei zwischen der „commutation“, der Verringerung des Strafmaßes, und dem „pardon“, bei dem das Verbrechen vergeben wird.

In beiden Fällen gilt die Person nicht als unschuldig. Weder der Kongress noch Gerichte können gegen eine solche Entscheidung vorgehen.

Unter Druck gerät nun auch ein Mann, der seit 2012 politisches Asyl des Staates Ecuador genießt: Julian Assange, der seitdem in der Botschaft des Landes in London sitzt. Der Wikileaks-Gründer hatte erklärt, er werde einer Auslieferung in die USA zustimmen, wenn Manning begnadigt wird. Doch nun ließ sein Anwalt Per Samuelson wissen, dass sein Klient vorerst in London bleibe. Der Jurist schob noch eine Botschaft von Assange nach, die in den USA für Schmerzen sorgen dürfte: „Er sieht das als großen Teilerfolg, um nicht nur Manning, sondern auch Wikileaks und sich selbst zu rehabilitieren.

“ Assange war vor mehr als vier Jahren in die Botschaft Ecuadors in London geflüchtet, um einer Festnahme zu entgehen. Gegen den Australier liegt ein europäischer Haftbefehl wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs in Schweden vor. Er befürchtet, über Schweden an die USA ausgeliefert zu werden, wo ihm eine lange Haft wegen Geheimnisverrates drohen könnte.

Mit Informationen von dpa

Julian Assange       -  Der Wikileaks-Gründer Julian Assange
Foto: dpa | Der Wikileaks-Gründer Julian Assange
 
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