Georges Lüdi, Jahrgang 1943, ist Professor am Institut für französische Sprach- und Literaturwissenschaft der Universität Basel. Seine Muttersprache ist Französisch, in der Schule lernte er Deutsch und schließlich Spanisch, Katalan, Englisch und Portugiesisch. Über die Vorteile von Mehrsprachigkeit haben wir mit ihm gesprochen.
Georges Lüdi: Grundsätzlich hilft jede früh erlernte Fremdsprache beim Lernen jeder weiteren Sprache. Weil große Teile des englischen Vokabulars – wohl über 50 Prozent – aus dem Französischen oder Lateinischen stammen, gilt dies für Englisch nach Französisch besonders.
Lüdi: Eine Sprache im Kindergarten zu erlernen ist ein erster Schritt in Richtung mehrsprachiger Repertoires. Es ist ein Vertrautwerden mit der Existenz anderer Sprachen und der Beginn des Anlegens neuer neuronaler Verknüpfungen im Gehirn, die später ausgenützt und ausgebaut werden können. So entsteht Flexibilität namentlich in den Bereichen Phonetik und Syntax.
Lüdi: Diese Frage lässt sich nicht generell beantworten. Sie hängt besonders vom Kontext des Spracherwerbs ab. „Doppelte Erstsprachigkeit“ bedingt intensives Eintauchen in die andere Sprache; Kindergarten ist dafür schon etwas spät. Generell gilt: Je früher, desto intensiver muss der Kontakt sein – einige Lektionen allein bringen zu wenig. Ein bewusster Umgang mit Fremdsprachen, besonders auch mit der Schriftlichkeit, kommt erst später. Wörter lernt man ab der Adoleszenz am besten.
Lüdi: Nein! Wie Experten sagen: Der Mensch ist zur Mehrsprachigkeit geboren; Einsprachigkeit ist ein Zeichen von Armut. Ein Mischen von Sprachen ist zu Beginn normal. Kinder lernen, sie progressiv auseinanderzuhalten, wenn sie in unterschiedlichen Kontexten oder von unterschiedlichen Personen verwendet werden.