Griechenland ist zwar noch lange nicht gerettet. Aber es geht wenigstens nicht unter. Nach stundenlangen Beratungen standen sich die 19 Finanzminister der Euro-Länder am Freitagabend in Brüssel kurz vor der Einigung auf einen Text, der dem Land vier Monate mehr Zeit gibt, um mit Hilfe europäischer Hilfsgelder zu überleben. „Wir sind durch, wir sind durch“, meldete EU-Währungskommissar Pierre Moscovici um kurz vor 20 Uhr sogar schon etwas voreilig den sehnlichst erhofften Durchbruch. Wenig später signalisierte auch Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem: „Es sieht wirklich gut aus.“
Das sind die Einzelheiten des Paketes: Rund 18 Milliarden Euro bekommt die Athener Regierung, um ihre schon in den nächsten Wochen anstehenden Verpflichtungen zu erfüllen und somit eine Staatspleite abzuwenden. Die Summe setzt sich aus der letzten Tranche des zweiten Hilfspaketes über 5,4 Milliarden, Gewinnen der Europäischen Zentralbank aus dem Verkauf von griechischen Staatsanleihen und weiteren Mitteln der Frankfurter Euro-Bank zusammen. Gleichzeitig verpflichtete sich die hellenische Führung, bis Montag einen detaillierten Katalog der Reformen zu erstellen, die in den kommenden Wochen angegangen werden sollen. Finanzminister Gianis Varoufakis sagte zu, keine Wahlgeschenke wie Erhöhung der Renten oder des Mindestlohns zu verteilen, die nicht gegenfinanziert sind oder das wirtschaftliche Gleichgewicht stören könnten. „Das ist eine Grundsatz-Einigung“, betonte ein EU-Diplomat, „die Einzelheiten werden in den nächsten Tagen von den Experten ausformuliert.“
Der Durchbruch gelang offenbar in mehreren bilateralen Gesprächen, die Dijsselbloem zusammen mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble geführt hatte. Mehr als drei Stunden lang dauerten die Vorverhandlungen über einen Textentwurf, dem am Ende alle 19 Kassenwarte der Währungsunion zugestimmt hatten. Erst danach tagte man am Runden Tisch, wo – so ein Beobachter – „Wort für Wort und Zeile für Zeile“ der Kompromissvorschlag noch einmal diskutiert wurde. Zuvor habe, so bestätigten Augenzeugen, Dijsselbloem selbst den griechischen Premier Alexis Tsipras angerufen und informiert, ihm aber auch Druck gemacht. „Das oder es ist Schluss“, habe der niederländische Eurogruppen-Chef dem Athener Ministerpräsidenten klargemacht.
Daraufhin gab Tsipras grünes Licht. Zuvor hatte es Verwirrung um den Brief gegeben, mit dem Varoufakis formell um eine Verlängerung des Hilfsprogramms gebeten hatte. Gerüchte, der griechische Finanzminister haben ein mit seinem Regierungschef abgestimmtes Schreiben vor dem Absenden nach Brüssel eigenmächtig verändert, um einen Kompromiss zu erleichtern, wies ein Sprecher in Athen scharf zurück. Unklar blieb auch, ob der griechische Antrag, der schließlich bei Eurogruppenchef Dijsselbloem eintraf, tatsächlich die richtige Fassung war. In der hellenischen Hauptstadt hieß es, aus Versehen sei zunächst eine ältere Fassung verschickt worden, die nicht die vor allem von Bundesfinanzminister Schäuble verlangten Garantien für Reformen enthalten habe.
Damit der jetzt gefundene Kompromiss in Kraft treten kann, müssen bis zum 28. Februar sowohl das Europäische Parlament wie auch die nationalen Abgeordnetenkammern zustimmen. Der Bundestag will dem Vernehmen nach am Donnerstag grünes Licht geben.
Doch dann, so hieß es in Brüssel, beginne erst die eigentliche Arbeit. Denn Varoufakis und die Euro-Gruppe vereinbarten, die viermonatige Schonfrist zu nutzen, um ein neues Abkommen auszuhandeln, das der Regierung in Athen mehr Spielraum bei der Umsetzung von Reformen gibt. Zwar sollen 70 Prozent der politischen Maßnahmen, die die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds vorgeschlagen hatten, verbindlich bleiben. Die Regierung Tsipras will aber durchsetzen, einige Umbauten aus sozialen Gründen ablehnen und die errechneten Einsparungen durch andere Schritte erbringen zu können. Varoufakis sagte in Brüssel bereits zu, die Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung, Korruption und Kapitalflucht zu verschärfen.