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BERLIN
Der IS beschwört die Apokalypse
Alleged mastermind behind Paris attacks       -  Gefangen in einer Welt aus Mythen und Heilserwartungen: Abdelhamid Abaaoud, mutmaßlicher Drahtzieher der Anschläge von Paris, posiert auf dieser undatierten Aufnahme mit einem Buch und der Flagge der Terrormiliz IS.
Foto: dpa | Gefangen in einer Welt aus Mythen und Heilserwartungen: Abdelhamid Abaaoud, mutmaßlicher Drahtzieher der Anschläge von Paris, posiert auf dieser undatierten Aufnahme mit einem Buch und der Flagge der Terrormiliz IS.
Martin Ferber
Martin Ferber
 |  aktualisiert: 14.12.2015 03:36 Uhr

Dabiq ist ein ebenso verschlafenes wie unscheinbares Nest mit etwas mehr als 3300 Einwohnern im Norden Syriens, etwa 40 Kilometer nordöstlich von Aleppo und zehn Kilometer südlich der Grenze zwischen Syrien und der Türkei im Einflussgebiet der Terrormilizen des „Islamischen Staates“ (IS).

Niemand würde dieses Dorf kennen und ihm Beachtung schenken, würde nicht das Onlinemagazin der Terrormilizen des „Islamischen Staates“ (IS), in dem dieser seine Propagandabilder und -botschaften auf Englisch verbreitet, den Titel „Dabiq“ tragen. Seit Juli vergangenen Jahres erscheint Monat für Monat eine Ausgabe, die zwischen 40 und 60 Seiten umfasst, einzelne Ausgaben wurden in viele Sprachen übersetzt, auch ins Deutsche.

Der Inhalt ist stets der Gleiche: Zum einen wird das Leben im sogenannten Kalifat idealisiert, zum anderen werden die Kampfhandlungen der Terrormilizen und ihre militärischen Erfolge mit zum Teil äußerst brutalen Bildern gefeiert, auch die Darstellung von Hinrichtungen durch Enthaupten oder Verbrennen werden dokumentiert.

Zudem berichtet das Magazin über gefallene Kämpfer, die stets als Helden idealisiert werden, die besonders fromme Muslime gewesen seien. Im Februar dieses Jahres berichtete der mutmaßliche Organisator der Anschläge von Paris, der Dschihadist Abdelhamid Abaaoud, Kampfname Abu Umar al-Baljiki, in der Zeitschrift, wie er in der Vergangenheit mehrfach nach Europa reiste, „um die Kreuzzügler zu terrorisieren, die Krieg gegen die Muslime führen“.

„Dabiq“: Ort der Apokalypse

Der Titel „Dabiq“, der sich auf das gleichnamige Dorf bezieht, ist kein Zufall. Denn der Ort Dabiq spielt in der Mythologie des Islams eine wichtige Rolle – es ist der Ort der Apokalypse. Nach der Überlieferung kommt es hier zum alles entscheidenden Endkampf zwischen den Gläubigen, den Muslimen, und einem breiten Bündnis der Ungläubigen, den Christen, die auch „Römer“ oder in der Propaganda des IS „Kreuzzügler“ genannt werden.

Grundlage für diesen Mythos von der Endschlacht in Dabiq ist eine Aussage des Propheten Mohammed, die sich in der Sammlung seiner Aussprüche und Handlungen wiederfindet, im Islam „Hadith“ genannt. Neben dem Koran sind die Hadithe die zweite Quelle der islamischen Normenlehre. In Hadith 6924 heißt es: „Die letzte Stunde wird nicht anbrechen, bis die Römer auf al-A?maq oder Dabiq vorrücken. Ein Heer bestehend aus den besten Leuten der Erde in jenen Tagen wird Ihnen von Medina aus entgegenziehen.“

Die Kämpfer des Islam würden dabei auf eine Allianz seiner Feinde stoßen: „Sie werden sich gegen euch unter 80 Flaggen vereinen und unter jeder Flagge sind zwölftausend“, so die Prophezeiung des Propheten. Doch das Heer der Ungläubigen werde am Ende vernichtet werden.

Ein Drittel der Muslime werde bei dem blutigen Kampf gegen die „Römer“ fliehen („Ihnen wird Allah nicht verzeihen“), ein weiteres Titel werde sterben („und bei Allah zu den Besten unter den Märtyrern gezählt werden“), das letzte Drittel aber werde schließlich siegreich sein.

Mit dem Kampf der internationalen Koalition gegen die Milizen des selbst ernannten „Islamischen Staates“, die den Norden Syriens und Teile des Iraks kontrollieren, erfüllt sich nach den Vorstellungen der IS-Ideologen die Prophezeiung des Propheten.

Stunde des Endkampfes

Die Stunde des Endkampfes sei gekommen, die Apokalypse stehe unmittelbar bevor, verbreiten sie in den sozialen Netzwerken. Die Anführer der Terrormilizen machen dabei kein Hehl daraus, dass sie diesen Kampf bewusst provoziert und mit Absicht herbeigeführt haben. So sagt ein IS-Terrorist auf einem Video aus dem November des vergangenen Jahres, in dem die Enthauptung des amerikanischen Entwicklungshelfers Peter Kassig zu sehen ist: „Hier stehen wir und beerdigen den ersten amerikanischen Kreuzritter in Dabiq und warten sehnlichst auf die Ankunft des Rests eurer Armeen!“

 
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