Zurückhaltung war seine Sache nicht. Als der Wehrbeauftragte des Bundestags im Februar seinen Jahresbericht vorlegte und dabei mit scharfen Worten die gravierenden Mängel beim Material kritisierte, wirkte dieser Rundumschlag wie ein Misstrauensvotum gegen Ursula von der Leyen. Der Sozialdemokrat Hans-Peter Bartels ließ kein gutes Haar an der Verteidigungsministerin und der für Beschaffungsprojekte zuständigen Staatssekretärin Katrin Suder, die bei der Beschaffung alles anders, vor allem aber alles besser machen sollte. Dagegen kam der Wehrbeauftragte zu dem vernichtenden Befund: Nichts wurde besser. Das war fast schon eine rote Karte für die Ressortchefin.
Die Jahre des Streckens und des Streichens sind vorbei
Knapp acht Wochen später allerdings sieht die Lage für Ursula von der Leyen völlig anders aus. Neben Entwicklungsminister Gerd Müller von der CSU ist sie die Einzige, die ihr Amt behielt, nicht sie, sondern Rüstungsstaatssekretärin Suder verließ den Bendlerblock – und für dringend notwendige Beschaffungen stehen zusätzliche Milliarden zur Verfügung. Nach Jahren des Sparens, Streckens und Streichens kann von der Leyen in den kommenden Jahren aus dem Vollen schöpfen, eine vorläufige interne Beschaffungsliste sieht 18 Posten mit einem jeweiligen Bestellwert von mehr als 25 Millionen Euro vor, unter anderem für Rettungshubschrauber, Transportflugzeuge und zur Anmietung von Drohnen.
So gehört Ursula von der Leyen zu den Gewinnern der Regierungsbildung. Und es war ausgerechnet der Sozialdemokrat Hans-Peter Bartels, der als Wehrbeauftragter mit seiner vernichtenden Kritik am Zustand der Bundeswehr den Weg für die deutliche Erhöhung des Wehretats geebnet hat. In der Tat kann es nicht sein, dass Soldatinnen und Soldaten am Ende eines langen und gefährlichen Auslandseinsatzes oft tagelang auf den Heimflug warten müssen, weil kein Flugzeug zur Verfügung steht, dass kein einziges U-Boot einsatzfähig ist und die Hubschrauber mehr am Boden stehen als fliegen.
Seit Jahren schon wird, um die Einsatzfähigkeit im Ausland zu garantieren, das Material zu Hause ausgeschlachtet, das dann wieder für die Ausbildung fehlt. Von der Leyens großer Einkaufzettel ist denn auch nur der Anfang eines gewaltigen Beschaffungsprogramms, das notwendig ist, damit die Truppe die ihr übertragenen Aufgaben erfüllen kann. Bis 2030 sind nach Berechnungen des Ministeriums Investitionen von 130 Milliarden notwendig.
Auf einem anderen Blatt steht, ob die Industrie überhaupt in der Lage ist, das zu liefern, was die Bundeswehr braucht. Die Probleme mit dem Transportflugzeug A 400 M, dem Schützenpanzer Puma, den Hubschraubern NH 90 und Tiger sind hinlänglich bekannt. Die Industrie verspricht viel, kann aber nicht liefern, während sich die Projekte erheblich verteuern. Die Bestellliste der Ministerin sagt noch lange nichts darüber aus, wann die Truppe das dringend benötigte Material erhält und ob es den Anforderungen genügt.
Steigende Rüstungsausgaben: Auch Entwicklungshilfe profitiert
Bleibt noch ein interessanter Nebeneffekt: Nach einem Deal von Union und SPD bei den Koalitionsverhandlungen profitiert auch Entwicklungsminister Gerd Müller von den steigenden Rüstungsausgaben. Denn im gleichen Umfang wie der Wehretat soll auch sein Etat für humanitäre Projekte steigen. Damit setzt Deutschland ein Zeichen, auch gegenüber US-Präsident Donald Trump, der unverändert darauf drängt, zwei Prozent des BIPs für Rüstung auszugeben. Die Armee muss ordentlich ausgerüstet sein, aber die Bereitschaft, internationale Verantwortung zu übernehmen, bedeutet mehr, als nur Waffen zu kaufen. Die Bekämpfung der Fluchtursachen in den Herkunftsländern durch eine Verbesserung der Lebensumstände ist mindestens so wichtig, wenn nicht noch wichtiger. Das sollte weltweit Schule machen.