Schnäppchen sehen anders aus, doch Facebook scheint mit dem Kauf von WhatsApp einen Coup gelandet zu haben. Der Gemündener IT-Experte Thomas Köhler, Autor von „Die Internetfalle“ sagt, warum.
Thomas Köhler: Nein, ich habe weder ein WhatsApp- noch ein Facebook-Konto – jedenfalls keines unter meinem Namen.
Köhler: Weil mir bei beiden der Umgang mit den Nutzerdaten nicht gefällt. WhatsApp kann man nur einsetzen, wenn man der Applikation erlaubt, das Telefonbuch auf dem Handy ins Netz hochzuladen. Und das möchte ich nicht, weil ich private wie auch geschäftliche Adressen habe, die niemanden etwas angehen, schon gar nicht eine Firma in den USA, die nicht sagt, was sie damit macht.
Köhler: Das ist eine berechtigte Frage. Es ist vermutlich ähnlich wie bei Facebook, die auch viele zweifelhafte Dinge tun und mit den Datenschützern aneinandergeraten. Aber beide sind US-Unternehmen, die sich an US-Recht gebunden fühlen und andere Ansprüche nicht an sich herankommen lassen.
Köhler: Eine Überraschung war es nicht, ganz im Gegenteil. Überrascht hat nur das Preisschild, das an dieser Übernahme klebt. Die kolportierten 19 Milliarden Dollar, also 16 Milliarden plus drei Milliarden Aktien für die Mitarbeiter. Damit war der Kauf schon sehr teuer und zeigt deutlich, wie Facebook nun versucht, die Nutzerbasis zu sichern.
Köhler: Die jüngeren Nutzer kehren Facebook den Rücken und nutzen mehr und mehr solche Instant-Messaging-Dienste. Davon ist WhatsApp der größte. Das Thema dieser Internetdienste ist: Es kann immer nur einen geben. Aus ökonomischer Sicht ist das ein natürliches Monopol. Alle sind bei Facebook, weil dort die meisten Freunde und Bekannte sind. Alle anderen Netzwerke wie früher StudiVZ haben an Bedeutung verloren oder wurden eingestellt. Genau diese Erwartung hat man auch an die Instant-Messaging-Applikation WhatsApp. Die große Masse, 30 Millionen deutsche Smartphone-Nutzer sind dort zu finden. Da schluckt man das ein oder andere schlechte Gefühl schon runter. Aber: Man macht es trotzdem, weil der Nutzen so viel stärker ist: der Kontakt zu den Freunden, die eingesparte SMS.
Köhler: Rein rechnerisch unwahrscheinlich: Nach Unternehmensangaben nutzen pro Monat 450 Millionen Menschen WhatsApp. Davon sind 315 Millionen tägliche Nutzer. Wenn man das in Relation zu 19 Milliarden setzt, hat Facebook rund 60 US-Dollar pro Kunde bezahlt. Die bisherigen Einnahmen von WhatsApp sind dagegen relativ gering, weil WhatsApp zunächst kostenlos angeboten wird. Erst später muss man rund 90 Cent pro Jahr bezahlen. Der Kaufpreis kommt dadurch nicht wieder rein.
Im Prinzip befinden wir uns hier in einer vergleichbaren Situation wie Ende der 90-er Jahre bis Anfang 2000 bei der Übernahmewelle der Telekommunikationskonzerne. Da hat die Deutsche Telekom die US-Firma VoiceStream übernommen. Damals hat die Deutsche Telekom pro VoiceStream-Kunden mehrere tausend US-Dollar bezahlt. Bei einem durchschnittlichen Monatsumsatz von nur rund 45 Dollar je Kunde. Auch damals wurde mit dem Marktzugang argumentiert.
Köhler: Meine Vermutung ist: Zum einen ist man wieder cool. Insbesondere bei jungen Leuten ist WhatsApp derzeit der angesagteste Dienst. Zum anderen hat man zunehmend mehr Gewalt über die Nutzer – den Zugriff auch auf das mobile Leben der Nutzer. Beim Versuch, die mobilen Nutzer zu binden, hat Facebook mit dem Angebot Home einen ziemlichen Flop erlebt. Da hat man versucht, auf Android-Telefone oben eine Art Applikation zu setzen. Das war ein totaler Flop. Da ist WhatsApp als rein mobile Applikation eine ideale Ergänzung.
Köhler: Zuckerbergs Pläne kennt niemand. Aber ich gehe davon aus, dass WhatsApp sehr stark in Facebook integriert werden und in einem Jahr nicht mehr wiederzuerkennen sein wird.
Köhler: Nein, ich gehe fest davon aus, dass man die jährliche Gebühr auch bei WhatsApp fallen lassen wird, und stattdessen die personenbezogene Werbung einführen wird. Wenn Sie so wollen, wird WhatsApp einfach die Facebook-Mobilvariante werden.
Köhler: Davon ist auszugehen. Es wird ganz sicher mit der Übernahme an die Nutzer eine Meldung „Unsere Datenschutzrichtlinien haben sich geändert“ geben. Darin wird im Juristenkauderwelsch auch stehen, was passiert. Bis dato behauptet WhatsApp, dass sie keine Inhalte einsehen oder speichern. Ich gehe davon aus, dass sich das ändert.
Köhler: Facebook hat mit der Übernahme Zugriff auf hochgeladene Telefonbücher. Man kann sich überlegen, ob man die künftige Kommunikation über WhatsApp laufen lässt. Es gibt Versuche, Alternativen zu etablieren. Aber die krankten bisher daran, dass zu wenige Leute drauf sind. Sicher wird es im Lauf des nächsten Jahres Gewinner geben, die von der Übernahme profitieren – Anbieter wie Viber, Line, ChatOn oder Threema. Aber in der Praxis wird die große Masse trotzdem erst einmal an WhatsApp kleben bleiben.
Köhler: Man muss im Detail sehen, ob man den Teufel nicht mit dem Beelzebub austreibt. Im Allgemeinen ist man jedoch besser bedient, wenn man sich auf europäische Anbieter verlässt. Die müssen sich an europäische Richtlinien halten. Aber ich bezweifele, dass sich viele Nutzer die Mühe machen, in den Geschäftsbedingungen zu lesen.
Köhler: Ich glaube, Nutzer werden offener für Dienste, die Privatsphäre sicherstellen. Auch das kann ein Geschäftsmodell sein. Die Gefahr für Facebook ist, dass nach WhatsApp der nächste coole Dienst kommt. Und irgendwann wird Facebook das Geld ausgehen, die alle aufzukaufen.
Von Google bis China: Alternativen zu WhatsApp
Mit Messenger-Apps lassen sich neben Texten auch Bilder und Videos verschicken, in der Regel sogar kostenlos – eine Internetverbindung vorausgesetzt. Der mit Abstand populärste Dienst ist das gerade von Facebook gekaufte WhatsApp. Es gibt aber auch Alternativen:
Die anderen Riesen: Ob Google, Apple oder Blackberry – die meisten Anbieter von Smartphone-Betriebssystemen haben einen Messengerdienst. Bei Google ist das zum Beispiel Hangouts, das es neben Android auch für iOS gibt. Blackberrys Dienst BBM ist ebenfalls für andere Systeme verfügbar, Apples iMessage dagegen nur auf iPhone, iPad und Mac-Rechnern zu Hause. Auch Skype bietet neben Videochats längst Textnachrichten. Und selbst WhatsApp-Käufer Facebook bietet seinen Chat als separate App an.
Die flexiblen Klassiker: Einst gehörte ICQ zur Standardausstattung auf vielen Rechnern, heute spielt es nur noch eine Nebenrolle. Als iOS- und Android-App ist der Dienst aber weiterhin verfügbar. Wer gerne mit Freunden chattet, die über mehrere Messenger verteilt sind, kann außerdem zu Multimessengern wie Trillian, IM+ oder imo greifen.
Die Exoten: WhatsApp ist vor allem in den USA und Europa populär. Japan chattet dagegen gerne mit Line, Südkorea mit KakaoTalk, China mit WeChat. Aus Indien stammt Hike. Alle Dienste sind inzwischen auch hierzulande und auf Deutsch erhältlich.
Die sicheren Botschafter: Gerade populäre Messenger wie WhatsApp wurden in der Vergangenheit immer wieder wegen Sicherheitslücken kritisiert. Es gibt allerdings auch einige kleinere Dienste, die Nachrichten sicher verschlüsseln. Dazu gehören zum Beispiel ChatSecure, das nur für Android erhältliche Xabber, das kostenpflichtige Threema oder Linphone, mit dem neben Text- auch Sprach- und Videochats möglich sind. Ein Sonderfall ist Snapchat, bei dem sich verschickte Bilder und Texte nach kurzer Zeit selbst zerstören. text: dpa