Es gab Zeiten, da wäre die Klimakanzlerin ganz selbstverständlich zum Weltklimagipfel geflogen. Am Montag allerdings blieb Angela Merkel in Berlin und kümmerte sich um Abgase. Beim sogenannten Dieselgipfel im Kanzleramt holte die CDU-Vorsitzende das Scheckbuch heraus und versprach 932 Millionen Euro mehr für saubere Luft in den Städten. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer zeigte gewohnt forsch Tatendrang und versprach schnelle Fortschritte bei den Hardware-Nachrüstungen für alte Dieselfahrzeuge. Das Hauptproblem, nämlich die Beteiligung der Autoindustrie, wurde nicht gelöst.
Eine halbe Milliarde von den 930 Millionen Euro steckt die Bundesregierung ist das Programm „Saubere Luft“. Belastete Städte können damit beispielsweise Elektrofahrzeuge anschaffen oder die Verkehrslenkung verbessern. Bislang war das Programm eine Milliarde Euro schwer und es blieb am Montag zunächst rätselhaft, warum es jetzt aufgestockt wird. Denn bislang sind erst 600 Millionen Euro überhaupt erst von den Kommunen abgefragt worden.
Nachrüstsätze für kleine Lkw
Weitere 432 Millionen Euro nimmt der Bund in die Hand, um die Hardware-Nachrüstung kleiner Lkw zu fördern. Klempner, Maurer und andere Handwerker sollen ihre Gerätschaften schließlich nicht per Hand durch die Stadt schleppen. Allerdings gibt es auch hier ein Problem: Vielfach sind Nachrüstsätze entweder noch nicht vorhanden oder aber noch nicht zugelassen.
Hier kam dann im Kanzleramt Verkehrsminister Scheuer ins Spiel. Seinem Ministerium obliegt es, die entsprechenden technischen Vorschriften zu entwickeln, damit wiederum das Kraftfahrtbundesamt den Herstellern von Nachrüstsätzen die notwendigen Genehmigungen erteilen kann. Bisher war unterstellt worden, dass mit der Nachrüstung alter Diesel nicht vor dem ersten Quartal 2020 gerechnet werde könne, doch Scheuer schaltete einen Gang höher und versprach Vollgas: Man habe „den Zeitplan nochmals verschärft“, erklärte der CSU-Politiker und kündigte die wichtigen technischen Vorschriften noch für dieses Jahr an.
Autoindustrie gibt sich zurückhaltend
Was allerdings nicht bedeutet, dass für Diesel der Kategorien Euro 4 und Euro 5 bereits Anfang 2019 fertige Nachrüstsätze in den Werkstätten eingebaut werden können. Denn die Nachrüster brauchen mindestens ein halbes Jahr, um die Vorschriften aus Scheuers Haus zu prüfen und auf ihre Produkte anzuwenden. Ist ein Nachrüstsatz dann fertig, muss er erst noch vom Kraftfahrtbundesamt genehmigt werden.
Die Autoindustrie hält sich beim Thema Nachrüstung zurück. Sie war beim „Dieselgipfel“ im Kanzleramt nicht dabei, die Bosse der deutschen Hersteller machten sich auf den Weg nach Washington, um dort am Dienstag mit US-Präsident Donald Trump über die Auswirkungen der Abgas-Tricksereien zu sprechen.
Die Erwartungshaltung der Bürger und Kommunen bei dem Thema ist klar, Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) brachte es so auf den Punkt: „Es wäre sehr schön, wenn die Automobilindustrie sich noch energischer an diesem Projekt beteiligen würde.“
Der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn hatte ebenfalls Wünsche an die Autoindustrie. Die derzeit ausgelobten Prämien für Umtauschaktionen bei Privat-Pkw reichten nicht aus, monierte der Grünen-Politiker, dessen Stadt ab Januar von Fahrverboten für alte Diesel betroffen ist. Die Förderung kommunaler Fahrzeuge sei ja gut und schön, sagte Kuhn, machte gleichzeitig aber auch klar, dass die städtischen Fahrzeugflotten in vielen Städten nur für rund sieben Prozent der gefährlichen Stickoxide verantwortlich seien.
Der erfahrene Grüne-Politiker Kuhn legte den Finger zudem in eine andere Wunde. Verschmitzt wies der darauf hin, dass der Vorwurf, die Städte seien an Fahrverboten Schuld, beim Dieselgipfel nicht mehr erhoben worden sei. Das durfte als Breitseite gegen Scheuer gewertet werden, der genau diesen Vorwurf erhoben hatte.
Das zwischen Kommunen und Bundesregierung gleichwohl immer noch dicke Luft herrscht, zeigte Kuhns Bemerkung, eine Kontrolle von Fahrverboten könne nur mit Aufklebern erfolgen. Die Erwähnung der „Blauen Plakette“ ließ den neben ihm sitzenden Bundesverkehrsminister Scheuer rot anlaufen. „Die Blaue Plakette heißt flächendeckendes Fahrverbot“ und sei deshalb diskriminierend, wetterte der CSU-Politiker.
Nur rund drei Stunden dauerte der Dieselgipfel im Kanzleramt, das war nicht viel Zeit für ein so komplexes Problem wie die Luftreinhaltung. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Kanzler Merkel kündigte am Montag bereits den nächsten Gipfel an – er soll vor der nächsten Sommerpause stattfinden.