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Berlin
Der Frust in der CDU
In der Partei wird über eine CO2-Abgabe gestritten. Die Debatte ist jedoch nur ein Ventil. Tatsächlich geht es um Annegret Kramp-Karrenbauer
Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Landesparteitag der CDU Sachsen-Anhalt am Wochenende.
Foto: Hendrik Schmidt, dpa | Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Landesparteitag der CDU Sachsen-Anhalt am Wochenende.
Stefan Lange (51) ist neuer Leiter des Hauptstadtbüros unserer Zeitung. Zuvor arbeitete er als Teamleiter Politik im Berliner Büro von Dow Jones Newswires und dem Wall Street Journal. Lange ist seit 2001 in Berlin und hat dort unter anderem bei verschiedenen Nachrichtenagenturen gearbeitet. Davor war der gebürtige Friese zwölf Jahre lang als Volontär und Redakteur bei einer Tageszeitung in Jever beschäftigt.
Stefan Lange
 |  aktualisiert: 16.05.2019 02:11 Uhr

Symptome überdecken oft das eigentliche Problem. Oder sie weisen darauf hin, dass es ein Problem überhaupt gibt. Das Symptom der CDU ist gerade die CO2-Steuer, das Problem die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer.

Völlig unnötig hat Kramp-Karrenbauer in der Klimadebatte Leitplanken aufgestellt und eine Steuer auf CO2 abgelehnt. Dabei gibt es Teile der Partei, die darüber zumindest nachdenken wollen. Vize-Parteichef Armin Laschet zum Beispiel oder der Unions-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus. Nun wird in der CDU heftig über die CO2-Steuer debattiert, die Aufregung ist groß.

Allerdings ist das Thema kaum so viel Aufregung wert, in Wahrheit ist die CO2-Debatte ein Ausdruck der Gereiztheit in der CDU. Ein Ventil für den Frust, der sich gerade wegen der Parteivorsitzenden aufbaut. Offen sagt es niemand, aber hinter vorgehaltener Hand wird schon darüber gesprochen, ob Kramp-Karrenbauer tatsächlich Kanzlerin kann.

Bereits die Karnevalsauftritte der als Putzfrau verkleideten Parteivorsitzenden ließen einige in der Union mit offenem Mund zurück. „Jetzt spielt sie die Gretel und später will sie am G-20-Tisch sitzen“, ätzte ein Außenpolitiker mit Blick auf die internationalen Termine, die auf Kramp-Karrenbauer warten. So sie denn tatsächlich Bundeskanzlerin wird. Und zwar noch vor der nächsten Bundestagswahl, wie es sich viele Unionspolitiker deshalb wünschen, weil eine Spitzenkandidatin mit Amtsbonus angeblich bessere Karten hat als eine ohne.

Kramp-Karrenbauer würde gerne noch in dieser Legislaturperiode Kanzlerin werden. Ihr Problem ist jedoch, dass sie der Amtsinhaberin ausgeliefert ist und darauf warten muss, dass Angela Merkel abtritt. Verfassungsrechtlich ist das schwer, Merkel betonte zudem vor kurzem, sie könne Fragen nach einem vorzeitigen Rücktritt "mit einem klaren Nein beantworten". Andere Wege könnten über eine Minderheitsregierung, eine Jamaika-Koalition mit FPD und Grünen oder Neuwahlen führen. Aber dazu bräuchte Kramp-Karrenbauer Verbündete bei den anderen Parteien, und die sind derzeit rar. So muss AKK im Ehrenamt der CDU-Vorsitzenden verharren, während die große Politik an ihr vorbeizieht.

Dabei hat AKK schwer damit zu tun, der CDU-Parteizentrale wieder Einfluss zu verschaffen. Merkel hatte, als sie noch CDU-Chefin war, das Konrad-Adenauer-Haus systematisch entmachtet. Wichtige Termine, Reden und Pressemitteilungen wanderten zunächst ins Kanzleramt und auf den Tisch ihrer Büroleiterin Beate Baumann. AKK muss das Terrain mühsam zurückgewinnen. Gleichzeitig werfen ihre Kritiker ihr vor, sie habe den Laden nicht im Griff und deshalb ihre Partei noch nicht aus dem Umfrage-Keller geholt.

Gegen Kramp-Karrenbauer wird auch ins Feld geführt, dass sie kein Ministeramt hat, nicht im Bundestag reden kann und an entscheidender Stelle in der Exekutive nicht wahrgenommen wird. Die Lösung wäre eine Kabinettsumbildung. Doch da wird absehbar nur ein SPD-Posten frei, nämlich der von Justizministerin Katarina Barley, die es ins EU-Parlament zieht.

Der Europawahlkampf wiederum könnte der nächste Stoß sein, den ihr die Kritiker verpassen. Während Merkel sich raushält, muss AKK die Last für die CDU weitgehend alleine schultern. Für ein durchaus mögliches schlechtes Ergebnis wird man ihr die Schuld geben. Schon jetzt munkeln einige in Unions-Reihen, Kramp-Karrenbauer sei keine gute Wahlkämpferin und könne die Massen nicht begeistern. Die Kritiker verweisen auf ihren knappen Sieg in Hamburg, einer erinnert sogar an ihre Wahl zur saarländischen Ministerpräsidentin. Damals, im August 2011, scheiterte AKK überraschend im ersten Wahlgang.

Die Kritik ist vielfach zwar nicht fair. Kramp-Karrenbauer war nicht nur Ministerpräsidentin. Sie war auch vier Mal Landesministerin und verfügt über mehr Regierungserfahrung als viele Mitglieder im aktuellen Bundeskabinett. Darüber hinaus profilierte sie sich in zahlreichen anderen Ämtern der Partei, über den Bundesrat mischte sie in der großen Politik mit. Ihren Konkurrenten Friedrich Merz stellte sie gekonnt kalt und bewies Machtinstinkt.

Ihre Partei sieht das derzeit aber offenbar anders. Geschlossen steht sie jedenfalls nicht hinter ihrer Vorsitzenden, die demonstrative Euphorie, mit der AKK nach ihrem Wahlsieg auf dem Hamburger CDU-Parteitag gefeiert wurde, ist verflogen.

Der CDU droht damit eine Entwicklung, wie sie die SPD schon bitter durchlaufen hat: Eine neue Kandidatin – bei den Sozialdemokraten war es der Kandidat Martin Schulz – wird zunächst bejubelt und aufs Podest gehoben, dann kritisiert und demontiert. Und am Ende wieder verstoßen.

Wie die Medizin für das Problem aussehen könnte, ist jedoch völlig unklar. Ganz wenige Fieberträume gibt es in der CDU, und in denen kommt tatsächlich – trotz des klaren Dementis -, eine erneute Amtszeit von Kanzlerin Merkel vor.

 
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