Er ist einer der großen Europäer. Jacques Delors trieb die Eingung voran, legte die Grundlage der Gemeinschaftswährung – und warnt seit Jahren vor den Konstruktionsfehlern des Euro. Jacques Delors gehört zu dem kleinen Kreis von Politikern, die ohne jede Übertreibung als Väter der europäischen Einigung bezeichnet werden können. Als Kommissionschef war er der Baumeister des europäischen Binnenmarktes, er goss mit am Fundament der Währungsunion – und beobachtet seit Jahren mit Sorge die Krise des Euroraums. An diesem Montag wird Delors 90 Jahre alt.
Auch wenn das Alter seine Spuren hinterlassen hat, ist es um den Sozialisten nicht leise geworden. Er ist ein gefragter Redner und Gastartikelschreiber – sein Status in Frankreich ist fast mit dem von Altkanzler Helmut Schmidt in Deutschland vergleichbar. Präsident François Hollande stellte sich am Sonntag in einem Brief in Delors' Tradition, um für seine Forderung nach einer Wirtschaftsregierung und einem Eurozonen-Parlament zu werben.
Ehrenbürger Europas
Wegen seiner Ruhe und Kompetenz wurde Delors stets auch von seinen politischen Gegnern hoch geachtet, wenn sein nüchternes Auftreten auch teils verkniffen wirkte. Der EU-Gipfel ernannte ihn vor kurzem, mitten im Streit um Griechenland, zum „Ehrenbürger Europas“.
Der Sohn eines Bankangestellten legte eine Bilderbuchkarriere im französischen Politsystem hin, von der elitären Verwaltungshochschule ENA bis zum Wirtschafts- und Finanzministerium. Von 1985 bis 1995 stand er in schwierigen Zeiten an der Spitze der Kommission in Brüssel. Während der Ostblock zusammenbrach und die Frage der deutschen Wiedervereinigung alte Ressentiments aufkeimen ließ, zimmerte er an der Vertiefung der Zusammenarbeit.
In seiner Amtszeit machte der Vertrag von Maastricht die Europäischen Gemeinschaften zur Europäischen Union, der „Delors-Bericht“ wies den Weg zur Wirtschafts- und Währungsunion. Obwohl er gute Chancen gehabt hätte, entschied er sich danach gegen eine Kandidatur für die französische Präsidentschaft.
Dass sein 90. Geburtstag nun mit dem neuen Höhepunkt des griechischen Schuldendramas und den Diskussionen über den richtigen Weg für den Euro zusammenfällt, ist fast schon eine bittere Ironie der Geschichte. Delors jedenfalls warnt schon seit Jahren vor Konstruktionsfehlern der Gemeinschaftswährung: Es fehle der zweite Pfeiler, nämlich die gemeinsame Wirtschaftspolitik.
„Dieses System ist nicht mehr steuerbar, das kann so nicht weitergehen. Man muss diese Wirtschafts- und Währungsunion neu gründen“, sagte er jetzt der französischen Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“.