Als Angela Merkel Kanzlerin wurde, ist die wichtigste Personalie schnell geklärt. Thomas de Maiziere eilt der Ruf voraus, loyaler als andere zu sein, erfahren im Regieren und trotz seiner rheinischen Herkunft von geradezu preußischer Korrektheit. Ein Zuarbeiter, wie Spitzenpolitiker ihn sich wünschen. Als Kanzleramtschef, so beschreibt er seine neue Aufgabe selbst, ist er ja praktisch alles zugleich: Mediator und Sanitäter, Erster Offizier, Blitzableiter und Protokollchef. „Wenn es Probleme gibt“, sagt er, „landen sie eher bei mir als bei anderen“.
Zehn Jahre später ist de Maiziere, wenn auch unfreiwillig, noch einmal in die Rolle des Blitzableiters geschlüpft. Wie an keinem Unionsmann sonst arbeitet sich die SPD in der Flüchtlingskrise an ihm ab. Nahezu täglich leiste sich der Innenminister neue Stolperer, schimpft der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel.
Seine Entscheidung, syrische Flüchtlinge zumindest zu einem kleinen Teil wieder in jene EU-Länder zurückzuschicken, in denen sie auf ihrer Flucht als erstes Station gemacht haben, sei „aberwitzig“ sekundiert die Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht. Sogar das Wort „Bruchpilot“ soll gefallen sein, als die Abgeordneten der SPD am Dienstagnachmittag zusammensaßen.
Nicht einmal die Kanzlerin und ihr Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier sind informiert, als de Maiziere am 21. Oktober das Bundesamt in Nürnberg anweist, Syrer ab sofort nicht mehr pauschal als Asylbewerber anzuerkennen, sondern auch bei ihnen wieder zu prüfen, in welchen Ländern sie zuerst den Boden der EU betreten haben. Nach der Dublin-Regel hätten sie dort auch ihren Asylantrag stellen müssen.
Für einen veritablen Krach in der Koalition reicht de Maizieres Initiative allemal, die einer seiner Sprecher am Dienstag eher beiläufig verkündet hat. „Wir sind offen für jeden sinnvollen Vorschlag“, beteuert die SPD-Innenexpertin Gabriele Fograscher. „Aber dieser Vorschlag wird die Verfahren nicht verkürzen, sondern deutlich verlängern.“
Nur wenige Tage nach dem Durcheinander um seinen Plan, syrische Flüchtlinge zunächst nur für ein Jahr aufzunehmen, überrascht de Maiziere Freunde und Gegner nun erneut mit einem politischen Alleingang. Und wie zuletzt, als ihn die Kanzlerin erst zurückpfeifen ließ, um sich anschließend mit der CDU-Spitze hinter ihn zu stellen, spricht der Innenminister auch diesmal vielen Konservativen aus der Seele.
Der Innenminister ist fest entschlossen, einiges zu ändern. „Wir wissen, dass viele behaupten, Syrer zu sein, obwohl sie keine Syrer sind“, sagt de Maiziere im Bundestag. „Deshalb müssen wir jetzt reagieren.“ Soll die Opposition ihm ruhig vorwerfen, er agiere seit Wochen ohne Plan und ohne Kompass – an strengeren Kontrollen und rigideren Verfahren führt für ihn kein Weg vorbei.