Der Biologe

Oliver Keuling ist den Wildschweinen seit langem auf der Spur. Mittels Radiotelemetrie – Schwarzwild wird in großen Fallen gefangen und dann mit Sendern versehen – konnte der Wildbiologe am Institut für Terrestrische und Aquatische Wildtierforschung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover viele Erkenntnisse gewinnen. In einem Beitrag für die Zeitschrift „Jagd in Bayern“ schreibt er: „Typisch für Schwarzwild ist, dass nichts wirklich typisch ist. In seinem Verhalten und bei allen Beobachtungen zeigt das Wildschwein eine enorme Variationsbreite.“ Wildschweine leben zwar in engen Sozialstrukturen zusammen, die Rotte zieht aber keineswegs ständig im Pulk herum, sondern trennt sich immer wieder. Je selbstständiger die Frischlinge werden, desto häufiger gehen die einzelnen Rottenmitglieder auch mal eigene Wege, so Keuling. Die Leitbache ist das wichtigste Tier und bestimmt, wohin sich die Rotte bewegt. Wundereigenschaften hat sie allerdings nicht, so der Experte. Sie unterdrückt auch nicht die Reproduktion rangniedrigerer Bachen. Allerdings hat sie gelernt, Gefahren auszuweichen. Die Vermehrungsrate des Wildschweins nennt auch Keuling enorm hoch. Weil Jungtiere schon im ersten Lebensjahr an der Vermehrung teilnehmen, liegt die jährliche Reproduktionsrate bei 210 Prozent. Rehwild hat eine Reproduktionsrate von nur 50 Prozent. Schwarzwild wird gerne nachgesagt, es würde sehr weite Strecken zurücklegen. Keuling widerspricht. Pro Nacht werden im Mittel lediglich vier bis maximal zehn Kilometer zurückgelegt. Das Streifgebiet eines Jahres beträgt rund 800 Hektar, das Schwarzwild kehrt immer wieder zu bestimmten Orten zurück. Die Bejagung beeinflusst das Schwarzwild in unseren Breiten nur wenig in seiner Lebensweise, im Gegensatz zu saisonalen Faktoren. Wenn allerdings ein Rottenmitglied erlegt wird, so meiden die meisten Rotten diesen Bereich für drei bis vier Wochen.