Wir sind wieder da!“, verkündet der griechische Ministerpräsident Antonis Samaras. Er will damit sagen: Das Krisenland ist aus dem Gröbsten heraus, Griechenland kriegt die Kurve. Das scheint auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zu glauben. Sie kommt an diesem Freitag für rund sechs Stunden nach Athen.
Für Samaras hat die Blitzvisite eine große symbolische Bedeutung. Schließlich war es Merkel, die zu Beginn der Griechenlandkrise öffentlich mit dem Gedanken spielte, das Land aus der Eurozone hinauszuwerfen. Nun erklärt die Kanzlerin, sie sei „froh, dass Griechenland im Euro geblieben ist“. Und übermittelt schon vor der Ankunft den Griechen aus dem Munde von Regierungssprecher Steffen Seibert ihre „Bewunderung“ für das in der Krise Geleistete. Um das Comeback des Landes zu dokumentieren, ging Finanzminister Giannis Stournaras gestern, am Tag vor dem Besuch der Kanzlerin, mit einer neuen Anleihe an den Kapitalmarkt. Es war die erste Emission seit Beginn der Krise vor vier Jahren – perfektes Timing.
Hätte es da am Donnerstagmorgen nicht in Athen einen großen Knall gegeben. „Wir sind wieder da“, das ist auch das Motto der Terroristen, die kurz vor sechs Uhr nahe der griechischen Zentralbank eine Autobombe zündeten. Es blieb bei Sachschäden an den Fassaden umliegender Gebäude. Verletzt wurde niemand, weil die Täter den Anschlag 45 Minuten zuvor telefonisch angekündigt hatten. „Offensichtlich versucht jemand, die Agenda zu wechseln“, sagte Regierungssprecher Simos Kedikoglou, „aber wir werden nicht zulassen, dass die Terroristen ihr Ziel erreichen.“ Sollte es Absicht des Anschlags gewesen sein, die Bond-Emission zu stören, ist das den Tätern tatsächlich nicht gelungen. Die Anleihe war achtfach überzeichnet.
Dabei hatte Athen erst vor zwei Jahren die Märkte mit einem brutalen Schuldenschnitt geschockt: Auf 53 Prozent ihrer Forderungen mussten die privaten Anleger im Februar 2012 verzichten, um Griechenlands Schuldenlast um rund 100 Milliarden Euro zu drücken. Dass sie nun bereits wieder Vertrauen in den Schuldner Griechenland fassen, ist erstaunlich. Die Griechen können sich zu Ostern, für sie das wichtigste Fest des Jahres, diesmal gleich doppelt freuen. „Christós anésti“, rufen sich die Menschen am Ostersonntag zu, Christus ist auferstanden. Griechenland auch.
Aber es ist ein Wunder mit Fragezeichen. Die Frage lautet: Wo steht das Land wirklich? Bei der Haushaltskonsolidierung meldet Athen große Fortschritte. Der Fehlbetrag im Budget betrug 2009 schwindelerregende 15,6 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP). In diesem Jahr sollen es nur noch 2,3 Prozent sein. Und ein Jahr früher als erwartet verzeichnete Griechenland bereits 2013 in der Primärbilanz des Haushalts, die den Schuldendienst ausklammert, einen Überschuss von 2,9 Milliarden Euro. Zum ersten Mal seit 1948 hat Griechenland im vergangenen Jahr auch in der Leistungsbilanz einen Überschuss erwirtschaftet.
Doch Erfolgen stehen Versäumnisse gegenüber. Bei den Strukturreformen und den Privatisierungen ist Athen immer noch weit im Rückstand. Dabei wäre gerade eine zügige Umsetzung der Reformagenda wichtig, um die Konjunktur anzukurbeln. Griechenland steckt im sechsten Jahr der tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Seit 2008 hat das Land ein Viertel seiner Wirtschaftskraft eingebüßt. Die durchschnittlichen Realeinkommen gingen um fast 40 Prozent zurück. Die Arbeitslosenquote liegt bei fast 27 Prozent. Laut Eurostat ist fast jeder vierte Einwohner Griechenlands von Armut bedroht.
Immerhin gibt es inzwischen am Konjunkturhorizont einen Silberstreif. Die Industrieproduktion stieg im Februar gegenüber dem Vorjahr um 1,7 Prozent. Das Wirtschaftsklima ist so günstig wie zuletzt im Sommer 2008, vor der Lehman-Pleite. Auch der Konsum springt wieder an: Im ersten Quartal stiegen die Zulassungen neuer Kraftfahrzeuge um 22,3 Prozent. In diesem Jahr soll die griechische Wirtschaft um 0,6 Prozent wachsen, für 2015 erwartet die Troika ein Plus von 2,9 Prozent.
Auch politisch ist das Land in ruhigerem Fahrwasser angekommen, trotz der Autobombe vom Donnerstag. Nicht nur die Hasstiraden gegen Merkel haben sich gelegt. Auch die Massenproteste und gewalttätigen Ausschreitungen, die das Land noch vor zwei Jahren erlebte, scheinen der Vergangenheit anzugehören. Wenn, wie kürzlich bei der Verabschiedung des jüngsten Reformpakets, die Gegner des Sparkurses zu Demonstrationen aufrufen, versammeln sich auf dem Athener Syntagmaplatz selten mehr als zwei-, dreitausend Menschen. Auch die Streikaufrufe der Gewerkschaften finden immer weniger Resonanz. So hatte der Gewerkschaftsdachverband GSEE für Mittwoch einen „Generalstreik“ angekündigt. Der Ausstand machte sich im Wirtschaftsleben kaum bemerkbar.
Größtes Problem Griechenlands bleibt die erdrückende Schuldenlast. Sie betrug zu Beginn der Krise 130 Prozent vom BIP und liegt heute bei 175 Prozent. Schulden in dieser Größenordnung gelten als nicht tragfähig. Vor allem deshalb bekommt Griechenland von den Ratingagenturen weiterhin die Note „Nicht investitionswürdig“. Im Sommer hofft die Athener Regierung deshalb auf Schuldenerleichterungen in Form niedrigerer Zinsen und längerer Laufzeiten für die bereits gewährten Hilfskredite.
Dass die Anleger sich am Donnerstag trotz Schuldenproblematik schlechter Ratings um die neuen Papiere rissen, ist aber nicht überraschend. Eine Rendite von 4,75 Prozent ist vor dem Hintergrund der Niedrigzinsen im Euro- und Dollarraum sehr attraktiv. Die Anleihe wird überdies nach britischem Recht begeben, die Inhaber brauchen also keinen neuen Schuldenschnitt zu fürchten. Einziges Risiko bleibt im Grunde ein Staatsbankrott. Doch die Europartner des Landes scheinen politisch entschlossen, eine Pleite Griechenlands abzuwenden. Auch das unterstreicht Angela Merkel mit ihrem heutigen Besuch in Athen. Damit bekommt die neue Anleihe eine Art Gütesiegel.
Griechenland glückt Comeback am Kapitalmarkt
Fast vier Jahre nach dem finanziellen Kollaps hat sich Griechenland am Donnerstag erstmals wieder Kapital bei privaten Investoren beschafft. Wie das Finanzministerium in Athen mitteilte, sammelte das krisengeplagte Land dabei drei Milliarden Euro ein, rund eine halbe Milliarde mehr als angepeilt. Die Anleger erhalten dafür einen Zinssatz von 4,75 Prozent. Wie hoch am Ende faktisch der Ertrag für die Anleger sein wird, blieb zunächst offen. Nach früheren Angaben aus gut informierten Finanzkreisen soll die Rendite bei ungefähr fünf Prozent liegen. Die Rendite ergibt sich bei Anleihen aus dem Zinssatz, dem sogenannten Kupon, und dem Ausgabekurs der Anleihe.
Seit der Beinahepleite war Griechenland ab dem Frühjahr 2010 vom privaten Kapitalmarkt abgeschnitten, weil Anleger wegen des finanziellen Desasters das Vertrauen in das Land verloren hatten. In der Hochphase der Schuldenkrise kletterte die Rendite zehnjähriger Papiere deswegen zeitweise auf über 30 Prozent. FOTO: dpa