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BRÜSSEL
Der belgische König greift durch
Königlicher Neujahrsempfang in Belgien       -  König Philippe
Foto: dpa | König Philippe
Detlef Drewes
Detlef Drewes
 |  aktualisiert: 15.02.2020 02:11 Uhr

Die Geduld des belgischen Königs scheint am Ende. Am Freitagabend waren seine Landsleute bereits im Wochenendmodus, als Philippe durchgriff. Seit 13 Monaten werden die elf Millionen Flamen, Wallonen und Ostbelgier von geschäftsführenden Regierungen vertreten. Die Wahl im Mai 2019 hat die Situation nicht verbessert, sondern noch schwieriger gemacht. Seither arbeiteten sich diverse Informateure (Regierungsbildner) an dem Versuch ab, die politisch auseinanderdriftenden Landesteile zu einer Koalition zusammenzuführen – vergeblich. Am Freitag nun schickte das Staatsoberhaupt das bisher letzte Duo in die Wüste, ließ das Protokoll Protokoll sein und setzte den christdemokratischen Justizminister Koen Geens aus Flandern als „königlichen Kommissar“ ein, der innerhalb von zehn Tagen eine Mehrheit finden soll. Das Amt gab es bisher nicht. Eine „mission impossible“, wie die Kommentatoren des Landes am Wochenende schrieben. Sie könnten recht behalten.

Starker Rechtsruck

Die Lage ist verzwickt. Bei den Wahlen im vergangenen Mai rückte der Flämisch sprechende Norden des Landes noch stärker nach rechts und machte die Neue Flämische Allianz (N-VA) zur stärksten Kraft. Die frankophonen Wallonen wiederum statteten die Sozialisten (PS) mit einer komfortablen Mehrheit aus. Doch beide können nicht miteinander, aber offenbar auch nicht ohne einander. Denn alle Versuche, die beiden stärksten politischen Blöcke zu einer Regierung zusammenzuführen, scheiterten. „Offensichtlich hat die politische Klasse bei der Regierungsbildung kollektiv versagt“, analysierte Dave Sinardet, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Brüssel, vor wenigen Tagen. „Es besteht der Eindruck, dass alle politischen Parteien hauptsächlich nach strategischer und parteipolitischer Logik handeln, anstatt das Allgemeinwohl im Blick zu haben.“ Die Belgier selbst beginnen wie schon 2011, die Regierung nicht mal mehr zu vermissen. Damals dauerte das Machtvakuum 541 Tage – Weltrekord. Da die Regionen viele politische Kompetenzen haben, halten sie das Land am Laufen. Rein rechnerisch könnte eine Regenbogen-Koalition aus den Sozialisten, Grünen und Liberalen funktionieren. Aber ohne die N-VA, die wichtigste politische Kraft aus Flandern,scheint eine Regierung kaum denkbar. Zwar wären auch Neuwahlen im Februar ein Ausweg, den will König Philippe jedoch auf jeden Fall vermeiden, weil er wie viele andere befürchtet, dass der Rechtsruck vom Mai noch extremer ausfallen würde.

Zunehmende Finanzprobleme

Im Alltag führt zwar die wallonische liberale Premierministerin Sophie Wilmes die Geschäfte, aber da sie keine politisch durchgreifenden Entscheidungen treffen darf, müssen sie und ihr Haushaltsminister David Clarinval seit Monaten zusehen, wie die finanziellen Probleme des Landes immer weiter ansteigen. Ursprünglich war geplant, die Neuverschuldung auf 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu begrenzen. Die EU-Kommission rechnete in der Etatbilanz für Belgien vom November 2019 bereits mit 2,3 Prozent. Die Steuereinnahmen sinken, während die Ausgaben für soziale Sicherheit immer weiter in die Höhe klettern.

 
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