Kurz bevor an den Kameras das rote Licht angeht, bevor die drei Männer nicht mehr nur einen Meter neben dem Spielfeldrand sitzen, sondern in Millionen Wohnzimmern und Kneipen erscheinen, denkt Johanna Bonescu an ganz einfache Dinge. Die 28-Jährige blickt auf Christoph Metzelder, Lothar Matthäus und Sebastian Hellmann, die am weißen Tisch neben ihr Platz genommen haben. „Die Experten waren rechtzeitig am Stadion“, sagt sie. Das sei mit das Wichtigste. Schließlich wisse man ja nie, was passiert: Stau, Zugausfälle, Verspätungen.
Alltägliche Unwägbarkeiten, die in diesem Umfeld unwirklich erscheinen. Allianz-Arena, später Samstagnachmittag, in einer Stunde spielt Bayern München gegen Borussia Dortmund. Auf dem Platz stehen gleich die beiden besten deutschen Mannschaften. Drumherum ein Übertragungsrummel mit genau durchgeplanten Abläufen.
Und Bonescu mittendrin. Die Aufnahmeleiterin von Sky, dem Bezahlsender, der in Deutschland die Bundesliga live überträgt, fasst sich an ihren Kopfhörer. „Noch 30 Sekunden“, ruft sie und schiebt einen Sicherheitsmann zur Seite, damit er auch ja nicht in der gleich startenden Livesendung zu sehen ist. Im Zentrum der Vorberichterstattung: der Tisch mit Moderator Hellmann und den zwei Ex-Fußballern als Experten. „Ich bin jedes Mal wieder überrascht, wie viele Menschen an so einer Übertragung beteiligt sind“, sagt Metzelder mit Blick auf die Wand aus Kameras und Scheinwerfern, die vor ihm aufgebaut wurde. Die und der 300 Kilogramm schwere Moderationstisch müssen vor und nach dem Spiel sowie in der Halbzeitpause innerhalb von zwei Minuten verschwinden. Die Scheinwerfer bleiben zusammengefahren am Spielfeldrand, der Tisch kommt in der Kammer des Platzwartes unter.
Alleine für Sky sind über 30 Mitarbeiter vor Ort. Sie sind nicht alleine. TV-Sender aus 210 Ländern zeigen das Bundesliga-Topspiel. Rund 260 akkreditierte Journalisten, unter anderem aus Japan, Mexiko, USA, Italien oder Polen, sind in München. „Ein solcher Medienandrang wäre in kleineren Stadien wie Augsburg oder Ingolstadt nicht zu stemmen“, sagt Sky-Produktionsleiter Lars Päglow. Dazu kommt an diesem Tag eine Besonderheit: Es ist das erste Spiel am Samstagabend, das der Bezahlsender in Ultra-HD-Auflösung überträgt, also mit etwa viermal so vielen Bildpunkten wie bei dem bisherigen Übertragungsstandard HD. Das beansprucht fünf zusätzliche Mitarbeiter. Der Kanal „Sky Sport Bundesliga UHD“ hat einen eigenen Kommentator sowie rund 30 Prozent höhere Produktionskosten. „Die Zuschauer sind anspruchsvoller geworden“, sagt Bonescu. Wie hoch die Kosten sind, behält der Sender für sich.
Früher, da wurden dem Fußballfan auf der Couch genau drei Kameraeinstellungen präsentiert: eine von der Mittellinie, dazu jeweils eine weitere unten an beiden Seiten des Spielfeldes. So übertrug der WDR nach eigenen Angaben das erste Bundesliga-Livespiel 1984 zwischen Mönchengladbach und dem FC Bayern. Moderne Bundesligastadien beheimaten heute mehr Kamera-Ausrüstung als jedes Fernsehstudio. 20 Kameras einer Tochterfirma der Deutschen Fußball-Liga produzieren das Basissignal, also die Bilder, die alle Welt zu sehen bekommt. Dazu bringen die Sender ihre Kameras mit – Sky filmt mit zehn eigenen. Für die Torlinientechnologie laufen zwölf zusätzliche Geräte. Wenn Robert Lewandowski den Ball ins Tor drischt, halten das also mehrere Dutzend Kameras fest – Smartphones der Fans nicht mit eingerechnet. TV-Zuschauern wird viel geboten: Neben der Kamera an der Mittellinie gibt es Kameras unterm Stadiondach, in den Tornetzen, an Kommentatorenplätzen oder die „Spydercam“, die über dem Rasen schwebt. Ein Pilot steuert diese an Seilen durch die Luft – nicht zu tief, um nicht vom Ball getroffen zu werden. In der Champions League filmt zum Teil zusätzlich ein Hubschrauber von oben.
Die Flut an Bildern läuft in Übertragungswagen neben dem Stadion zusammen. Sky arbeitet mit zwei – einer davon für den UHD-Kanal. Im Inneren sitzen Regisseure vor rund 50 Bildschirmen und Hunderten Knöpfen. Sie entscheiden in Sekunden, was Millionen Fans vom Spiel sehen und was nicht. Zwei Kollegen schneiden vor eigenen Monitoren Höhepunkte zusammen.
In einem weiteren Wagen entstehen Live-Statistiken oder Grafik-Einblendungen. Mehrere Millionen Euro kostet alleine ein Übertragungswagen. Damit er sich lohnt, ist er auch in der fußballfreien Zeit im Einsatz – beim Biathlon, Skispringen oder bei Konzerten.