Die AfD kokettiert im Streben nach Aufmerksamkeit ständig mit dem Tabubruch, ob nun Parteichef Alexander Gauland vor dem angeblichen „Bevölkerungsaustausch“, durch die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel warnt oder ob er davon faselt, die damalige Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz von der SPD, in Anatolien „entsorgen“ zu können. Von den unsäglichen Entgleisungen der Vertreter des ganz rechten Randes mal ganz zu schweigen.
Der Thüringer Björn Höcke hatte vom Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ gesprochen. Und Sachsen-Anhalts AfD-Chef André Poggenburg nannte in seiner Aschermittwochsrede Deutschtürken „Kümmelhändler“ und „Kameltreiber“. Auf Druck seiner Partei musste er von seinen Ämtern als Landes- und Fraktionsvorsitzender zurücktreten, blieb aber Mitglied im Landtag. Meist bleiben fremdenfeindliche Ausfälle aber ohne Konsequenzen.
Ziel der AfD ist es, das Sagbare immer weiter zu verschieben
Kritik daran wird mit gespielter Naivität zurückgewiesen. Immer frei nach dem Motto „Man wird ja wohl noch sagen dürfen, dass ...“. Der unbekanntere, aber nicht weniger gemeine und vielleicht sogar noch gefährlichere Zwilling dieses Satzes ist „Man wird ja wohl noch fragen dürfen, ob ...“.
Ziel ist es, das Sagbare immer weiter zu verschieben und wo das nicht mehr geht, kommt eben das Fragbare ins Spiel. Wer behauptet, macht sich angreifbar, setzt sich dem Faktencheck aus und seit die AfD im Bundestag ist, ist sie mit möglicherweise justiziablen Tatsachenbehauptungen vorsichtiger geworden.
Statt dessen nutzt sie ein Instrument, das zu den wertvollsten Befugnissen der Parlamentarier gehört, auf eine teilweise problematische Weise: Das Fragerecht, eigentlich ein scharfes Schwert der Regierungskontrolle. Bei einer ganzen Reihe von parlamentarischen Anfragen der AfD-Fraktion aus den vergangenen Monaten drängt sich indes der Verdacht geradezu auf, dass es weniger darum geht, Wissenslücken zu beseitigen, als darum, die Weltsicht zu bestätigen, dass durch den Zustrom von Flüchtlingen alles schlechter geworden sei in Deutschland.
Es geht darum, eine bestimmte Ideologie zu transportieren
Wie sich etwa das Auftreten bestimmter ansteckender Krankheiten im „Zuge der massenhaften Einwanderung“ entwickelt habe, wollte die AfD vor kurzem wissen. Die Bundesregierung schreibt in ihrer Antwort zwar, dass „keine relevant erhöhte Infektionsgefährdung der allgemeinen Bevölkerung“ erkennbar sei. Doch zur AfD-Folklore gehört es ja ohnehin, dass offiziellen Angaben nicht zu trauen ist. Und bei manchem bleibt schon irgendetwas hängen in der Art, dass Flüchtlinge für einen gewaltigen Zuwachs im Auftreten von Lepra, Malaria, Aids und Typhus verantwortlich seien.
Auch wenn die AfD in einer anderen kleinen Anfrage nun ganz offensichtlich einen Zusammenhang zwischen Migration, Inzucht und Schwerbehinderung herstellt, dürfte es ihr nicht wirklich um Zahlen gehen. Die im Übrigen auch kein Geheimnis sind. Sondern eher darum, eine bestimmte Ideologie zu transportieren.
Wer auf diese Weise fragt, suggeriert natürlich etwas
Wer auf dieses Weise fragt, behauptet ja auf den ersten Blick nichts – suggeriert aber natürlich dennoch, dass es da bestimmt irgendeine auffällige Verbindung gibt zwischen gestiegener Zuwanderung, Ehen unter Verwandten und der Zahl der Menschen mit Behinderung.
Fragen kostet nichts, heißt es. Doch das stimmt nicht ganz. Fragen, die auf eine Weise gestellt werden, die auf unselige Art an die lebensfeindliche NS-Ideologie erinnert, kosten, so billig sie sind, die demokratische Kultur einen viel zu hohen Preis.