Einen Monat vor der Präsidentenwahl in Russland steigt die Proteststimmung gegen eine Rückkehr von Regierungschef Wladimir Putin in den Kreml. Das zeigen neue Massendemonstrationen der Opposition. Sie brachte am Samstag noch einmal mehr Putin-Gegner auf die Straße als nach der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Parlamentswahl im Dezember. Doch Putins Lager tut alles für den Machterhalt. Fragen und Antworten zur Lage in Russland:
Der scheidende Kremlchef Dmitri Medwedew hat nach den größten Anti-Regierungsprotesten der Putin-Ära im Dezember mehr politische Freiheiten angekündigt. Die Rede war von neuen Gesetzen für eine leichtere Zulassung von Parteien und Kandidaten zu Wahlen. Aber Medwedews Amtszeit endet im Mai. Und viele in Russland befürchten, dass Putin als wahrscheinlicher Sieger bei der Präsidentenwahl am 4. März keine Reformen angeht.
Es überlässt den politischen Kampf auf der Straße nicht der Opposition. Bei der Pro-Putin-Demonstration in Moskau am Samstag ging es auch um eine klare Absage an den Westen, sich demokratische Standards diktieren zu lassen. Putin warnt immer vor dem Chaos der 1990er Jahre, als Russland in Armut versank und die demokratische Führung in Ungnade fiel. Der Ex-Geheimdienstchef wirft Andersdenkenden vor, im Auftrag westlicher Mächte zu handeln.
Der Regierungschef gilt laut Umfragen als der mit Abstand beliebteste Politiker. Eine echte Alternative zu Putin ist für viele russische Wähler nicht in Sicht. Das einzige neue Gesicht unter den Kandidaten ist der Multimilliardär Michail Prochorow, der auch an den Anti-Putin-Protesten teilnimmt. Doch er steht bei der Opposition, die selbst zersplittert ist, im Verdacht, ein Kreml-Agent zu sein, der Proteststimmen abfangen soll, ohne Putin gefährlich zu werden.
Kremlkandidat Putin betont, er sei selbst an einem ehrlichen Ergebnis interessiert, um das Ausmaß der Zustimmung einschätzen zu können. Viele Spitzenfunktionäre stehen jedoch im Verdacht, die Ergebnisse zu fälschen, um ihre Posten nicht zu verlieren. Putin hat angeordnet, in den Wahllokalen Internetkameras zur Überwachung zu installieren. Und er will mit der kremlkritischen neuen Liga der Wähler kooperieren. Experten erwarten dennoch Fälschungen, wenngleich weniger als sonst.
Verfehlt Putin im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, wäre das aus Sicht von Beobachtern ein Zeichen für eine politische Schwächung. Ein zweiter Wahlgang wäre ein Signal der Wähler, dass Putin doch politische Reformen angehen muss.