Thomas de Maiziere hat lange geschwiegen und auch jetzt fasst er sich kurz. Am Mittwoch, verspricht der Innenminister, werde er im Kontrollgremium des Bundestages mit den „Unterstellungen“ aufräumen, denen er sich seit mehr als einer Woche ausgesetzt sieht.
Der Vorwurf, er habe in seiner Zeit als Kanzleramtsminister von der brisanten Zuarbeit des Bundesnachrichtendienstes für die amerikanische NSA gewusst, wiegt schwer. Belastbare Erkenntnisse über einen Missbrauch aber, beteuert de Maiziere, habe er damals nicht gehabt. Es sei nur darum gegangen, „eine bestimmte Form der Zusammenarbeit nicht gerade zu vertiefen“.
Was genau da nicht vertieft werden sollte, bleibt an diesem Vormittag unklar, an dem es bei einer Konferenz des Verfassungsschutzes eigentlich um den islamischen Terrorismus gehen soll und für die de Maiziere schon lange vor dem Bekanntwerden der BND-Affäre zugesagt hat.
Tatsächlich jedoch dreht sich in Berlin im Moment alles um den deutschen Innenminister, um die Frage, ob im Kanzleramt auf entsprechende Nachfragen der Opposition hin jemand gelogen hat und ob am Ende womöglich sogar Angela Merkel vor den Untersuchungsausschuss zitiert wird, der die NSA-Affäre aufklären soll. Ob der Bundesnachrichtendienst den Kollegen aus den USA etwas zu eilfertig geholfen hat, die französische Regierung, die EU-Kommission und ein Unternehmen wie den Rüstungskonzern EADS auszuspionieren, ist dabei nur ein Teil in diesem gigantischen Datenpuzzle – politisch aber das mit Abstand brisanteste.
„Es sind schon Minister wegen weit geringerer Vorwürfe zurückgetreten“, sagt der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, der Linke Andre Hahn. Selbst aus den Reihen der Koalitionsparteien gibt es bereits eine entsprechende Forderung, wenn auch nur von Johanna Uekermann, der Vorsitzenden des SPD-Nachwuchses.
„Nicht einen Tag länger“ sei de Maiziere als Innenminister tragbar, hat sie getönt, was die CSU mit der Forderung konterte, auch der letzte sozialdemokratische Amtsinhaber gehöre vor den Untersuchungsausschuss. Wenn der amtierende Kanzleramtsminister Peter Altmaier und seine Vorgänger de Maiziere und Ronald Pofalla von der Union dort aussagen sollen, droht der Abgeordnete Stephan Mayer, „dann verlange ich auch ein baldiges Befragen von Frank-Walter Steinmeier“. Wesentliche Vereinbarungen mit der NSA stammten schließlich noch aus der Zeit, als Steinmeier als Kanzleramtschef von Gerhard Schröder die Aufsicht über die Geheimdienste hatte.
Merkel für Kooperation mit NSA
Wann genau de Maiziere vor den NSA-Untersuchungsausschuss zitiert wird, ist noch offen. In das Parlamentarische Kontrollgremium für die Geheimdienste dagegen hat er sich für diesen Mittwoch gewissermaßen selbst eingeladen – was als Innenminister auch sein gutes Recht ist. Dessen Vorsitzender Hahn darf zwar öffentlich nicht darüber reden, was in der streng geheim tagenden Runde besprochen wird. Mit den Informationshäppchen allerdings, die er bislang erhalten hat, ist er erkennbar nicht zufrieden: „Die Regierung gibt immer nur das zu, was sie nicht leugnen kann.“
Trotz der Spionage-Vorwürfe gegen den BND setzen Bundesregierung und Geheimdienste weiter auf enge Zusammenarbeit mit dem US-Dienst NSA. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte am Montag zwar, befreundete Länder sollten sich nicht ausspionieren. Für die Sicherheit der Bürger sei die Kooperation mit der NSA aber wichtig. BND-Präsident Gerhard Schindler wies Vorwürfe des Landesverrats zurück. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) verlangte ungewöhnlich deutlich rückhaltlose Aufklärung.
Merkel betonte, die Bundesregierung werde alles daran setzen, die Arbeitsfähigkeit des BND zu gewährleisten. Notwendig sei eine Balance zwischen Schutz der Privatsphäre und Sicherheitsinteressen. Einer möglichen Ladung vor den NSA-Untersuchungsausschuss komme Merkel „gerne“ nach, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Mit Informationen von dpa