Nach dem Desaster um die Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ gerät Verteidigungsminister Thomas de Maiziere (CDU) nun wegen eines weiteren milliardenschweren Rüstungsprojekts erneut in die Kritik. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) berichtete am Montag von der Anschaffung eines Hubschraubers für die Marine, an dessen Eignung es bei der Bundeswehr erhebliche Zweifel gebe. SPD und Grüne warfen de Maiziere schweres Versagen vor und erneuerten zum Abschluss des Drohnen-Untersuchungsausschusses ihre Forderungen nach Rücktritt.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kritisierte, de Maiziere setze nach dem „Euro Hawk“ das nächste Projekt in den Sand: „Er will offenbar 18 Hubschrauber im Wert von fast einer Milliarde Euro für die Marine kaufen, die die Marine gar nicht nutzen kann. Das Ministerium hielt es nicht für notwendig, den Auftrag auszuschreiben, wie vorgeschrieben.“ Dies beweise erneut, dass de Maiziere sein Haus nicht im Griff habe. Das Verteidigungsministerium widersprach umgehend: Die in dem Medienbericht zitierten Bedenken gegen den Helikopter NH90 stammten aus bis zu drei Jahre alten Dokumenten. Wegen der technischen Weiterentwicklung der Baureihe seien die Vorbehalte jedoch mittlerweile „überholt und veraltet“.
Das Ministerium verteidigte die Anschaffung der 18 Helikopter im Gesamtwert von 915 Millionen Euro. Der Hubschrauber NH90 werde von der EADS-Tochter Eurocopter in einer speziellen Marineversion hergestellt, die bereits in Frankreich, Italien, Norwegen, Belgien und den Niederlanden erfolgreich im Einsatz sei. Die FAZ zitierte hingegen aus einem internen Bericht vom Juli 2011, in dem sich die Marine für ein Konkurrenzprodukt der US-Firma Sikorsky ausspricht. Kritik gibt es auch am Vergabeverfahren. Dem Bericht zufolge wurde der Auftrag ohne Ausschreibung an Eurocopter vergeben. Dieses Vorgehen habe der Bundesrechnungshof gerügt.
Zudem habe sich das Ministerium über die vom Verteidigungsausschuss erhobene Forderung hinweggesetzt, das Vorhaben zunächst im Bundestag zu erörtern. Auch diese Vorwürfe wies das Ministerium zurück: Der Haushaltsausschuss des Parlaments habe das Vorhaben im Juni 2013 „zustimmend zur Kenntnis genommen“. Die Auftragsvergabe ohne Ausschreibung sei zudem intensiv geprüft worden und letztlich zulässig gewesen.
Überlagert von dieser Debatte kam der Drohnen-Ausschuss am Montag zu seiner letzten Sitzung zusammen und verabschiedete einen Bericht. Rot-Grün will allerdings noch weitere Akten einsehen, daher läuft die Ausschussarbeit zunächst weiter. Große Überraschungen hält aber auch die Opposition nicht mehr für wahrscheinlich. Der Ausschuss hatte in zwei Monaten 18 Zeugen vernommen und 1500 Akten ausgewertet.
Bundesregierung und Opposition liegen in der Bewertung weit auseinander. Die Koalition sieht keine Fehler bei de Maiziere. SPD und Grüne untermauern dagegen ihre Rücktrittsforderung. „So ein Minister kann nicht im Amt bleiben“, sagte SPD-Obmann Rainer Arnold. Es habe ein eklatantes Missmanagement gegeben. Der Grünen-Obmann Omid Nouripour ergänzte, Schwarz-Gelb sei von Beginn an wie eine „Kampfformation“ aufgetreten. Es sei klar gewesen, dass Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren Minister nicht fallen lassen werde. „Da sind die Beschützerinstinkte größer gewesen als der Wille, der Wahrheit ins Auge zu schauen.“
Die schwarz-gelbe Koalition sieht die Vorwürfe gegen den Ressortchef und Merkel-Vertrauten hingegen ausgeräumt.
Der Helikopter NH90
Der militärische Mehrzweckhubschrauber NH90 wurde im Auftrag von Deutschland, Frankreich, Italien und den Niederlanden entwickelt. Mit dem „mehrrollenfähigen Helikopter“ der Zehn-Tonnen-Klasse können schwere Lasten, technisches Material oder bis zu 20 Soldaten transportiert werden. Nach einem Erstflug Ende 1995 ging der Helikopter des Luftfahrtunternehmens Eurocopter NHIndustries 2001 in die Serienproduktion. Der gut 5,40 Meter hohe und rund 15,90 Meter lange NH90 hat einen Rotordurchmesser von 16,30 Meter. Die Bundeswehr gibt seine Höchstgeschwindigkeit mit etwa 300 Kilometern pro Stunde an. Der NH90 wird in den Varianten TTH (Taktischer Transport Hubschrauber) für landgestützte und amphibische Operationen sowie NFH (NATO Fregatten Hubschrauber) für maritime Einsätze hergestellt. Die NFH-Version für den Küsteneinsatz oder als Bordhubschrauber richtet sich mit ihren Abmessungen nach dem Platz auf NATO-Fregatten und ist mit ihrer Elektronik besonders zur Seezielbekämpfung ausgelegt. Text: DPA