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Dauerstreit um Hitlers Geburtshaus
-       -  Das Geburtshaus Hitlers in Braunau. Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka hat sich mehrfach für einen Abriss des Gebäudes ausgesprochen.
Foto: Joe Kalmar, afp | Das Geburtshaus Hitlers in Braunau. Österreichs Innenminister Wolfgang Sobotka hat sich mehrfach für einen Abriss des Gebäudes ausgesprochen.
Mariele Schulze-Berndt
 |  aktualisiert: 28.10.2016 03:54 Uhr

„Die Expertenkommission empfiehlt, Hitlers Geburtshaus nicht abzureißen. Denn das brächte den Vorwurf, Österreich würde seine Geschichte verleugnen“, erklärt Clemens Jabloner, Rechtsprofessor an der Universität Wien, österreichischer Höchstrichter und Mitglied der Expertenkommission, deren Bericht „zum historisch korrekten Umgang mit dem Geburtshaus Adolf Hitlers“ gestern veröffentlicht wurde.

Jahrelang hat Österreich darüber diskutiert, was aus Hitlers Geburtshaus in Braunau werden soll. Im Juni beauftragte der Innenminister eine Expertenkommission. Doch die Debatte ist immer noch nicht zu Ende; denn ihr Ergebnis passt Innenminister Wolfgang Sobotka nicht ganz. Und er wird letztendlich entscheiden. Sobotka bekräftigte schon am Montag seine ursprüngliche Ansicht, dass es einen Neubau in Braunau am Inn geben soll. Bis auf den Keller müsse das Haus abgerissen werden und dort ein Gebäude errichtet werden, das den Empfehlungen der Experten Rechnung tragen soll. Am Dienstag stellte der Minster klar, das Haus dürfe „vor allem in der Außenform nicht erkennbar sein“. Ob man dies als Abriss bezeichnen wolle, darüber könne man diskutieren. Ein Architektenwettbewerb solle ausgeschrieben werden.

Enteignung geplant

Am Dienstag hat der Innenausschuss im Parlament den Gesetzentwurf nicht behandelt, nach dem die in Bayern lebende Eigentümerin des Hauses enteignet werden kann. Die Eigentümerin des Hauses, in dem Adolf Hitler 1889 geboren wurde, kassiert monatlich 4700 Euro Miete aus Steuergeldern, obwohl das Haus seit 2011 leer steht. Verkaufsverhandlungen sind gescheitert.

Nur wenige Wochen nach Hitlers Geburt zog die Familie aus. Als er drei Jahre alt war, verließ sie Braunau. 1938 kaufte Hitlers Vertrauter Martin Bormann es und richtete dort eine „Braunauer Galerie im Führer Geburtshaus“ ein. Seitdem ist das Haus Pilgerstätte für (Neo-)Nazis und Ewiggestrige. Genutzt wurde es zum Beispiel als Bank oder bis 2011 als Behindertenwerkstätte der Lebenshilfe.

Die vom Innenminister berufene Expertenkommission beurteilt das Gebäude als einen „auch für die internationale rechtsextreme Ideologie identitätsstiftenden Ort“. Österreich müsse dafür sorgen, dass es nicht zu „neonazistischer Agitation und bejahendem Gedenken missbraucht wird“. Deshalb solle es „ins Eigentum der Republik Österreich übergehen“.

Zu den dreizehn Experten gehören neben Wissenschaftlern und Beamten auch der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch und der Braunauer Bürgermeister Hannes Waidbach (ÖVP). Sie schlagen für die Zukunft eine „lebensbejahende und alltagsbezogene Nutzung“ des Hauses vor. Das wäre zum Beispiel eine sozialkaritative Einrichtung oder eine Behörde, wie eine Polizeidienststelle oder ein Finanzamt. Beide könnten den Staat Österreich repräsentieren und wären nur zeitweilig der Öffentlichkeit zugänglich. So könne der geschichtliche Zusammenhang aufrechterhalten werden. Vor dem Haus steht ein Denkmal für die Opfer des KZ Mauthausen.

Die Experten lehnen ein Museum oder eine pädagogische Einrichtung ab, wie es einige Initiativen in Oberösterreich wünschen. Durch solche Einrichtungen komme es weiterhin zu einer Assoziierung des Orts mit der Person Hitlers. Die Kommission empfiehlt, wie der Minister, eine tief greifende Umgestaltung des Gebäudes, um den „Wiedererkennungswert“ zu zerstören. Im November soll das österreichische Parlament endgültig die Enteignung beschließen.

 
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