Stecken der russische Auslandsgeheimdienst SWR oder andere russische Organisationen hinter dem bislang größten Hacker-Angriff auf die Computer und das Netzwerk des Deutschen Bundestags?
In Berlin verdichteten sich am Donnerstag die Hinweise, dass Russland das Ursprungsland des Angriffs sei, der seit dem 8. Mai für große Verunsicherung unter den Abgeordneten sorgt.
Hans-Georg Maaßen, der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das auch für die Spionageabwehr zuständig ist, nährte am Rande einer Konferenz zum Thema Cyber-Sicherheit in Potsdam diese Spekulationen, als er sagte, er habe die Sorge, „dass es sich um einen Cyberangriff eines ausländischen Nachrichtendienstes handelt“.
Seine Behörde sei nicht in die Aufklärung des Vorfalls eingebunden, dennoch habe sein Dienst wiederholt darauf aufmerksam gemacht, „dass jedenfalls die Cyber-Angriffe von russischen Diensten hoch qualifiziert sind und uns große Sorgen bereiten“.
Am Mittwoch hatten mehrere Medien berichtet, dass der Hackerangriff auf die Rechner des Bundestags weitaus größere Ausmaße angenommen habe als bislang bekannt war. Den Angreifern sei es gelungen, an die Administratorenrechte zu gelangen. Sie hätten somit Zugriff auf alle Passwörter und Zugangsdaten und könnten so in dem weitverzweigten Netzwerk „Parlakom“, an dem rund 20 000 Computer in Berlin sowie in den Wahlkreisbüros der Abgeordneten hängen, Daten kopieren und alle Unterlagen wie Briefe, Gesetzentwürfe oder vertrauliche Dokumente einsehen.
Aus einem als geheim eingestuften Bericht an den Bundestag gehe hervor, dass es sich um einen „digitalen Totalschaden“ handle, das Computernetz sei nicht mehr zu retten. Das gesamte Computernetzwerk müsse aus diesem Grund neu aufgebaut werden.
Nicht betroffen sind lediglich die Geheimschutzstelle des Bundestags, der NSA-Untersuchungsausschuss sowie die Personalverwaltung des Bundestags, da sie besonders gesicherte Netzwerke nutzen. Am Donnerstag gab es allerdings eine gewisse Entwarnung.
Die Unionsfraktion verwies unter Berufung auf einen Bericht des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik darauf, dass bislang lediglich 15 Rechner angegriffen und mit einem Trojaner infiziert worden seien. Eine weitere Ausbreitung wurde gestoppt. Die betroffenen Rechner seien identifiziert, der Abfluss an Daten habe vor zwei Wochen gestoppt werden können.
„Von einem Totalschaden kann keine Rede sein“, sagte der Digitalexperte der CDU/CSU-Fraktion, Thomas Jarzombek. Er wies auch die Behauptung zurück, dass das Netzwerk neu aufgebaut werden müsse. „Eine übersichtliche Zahl von Servern muss neu installiert werden, die Hardware ist nicht betroffen.“
Im Gegensatz dazu warnten Vertreter von SPD und Grünen, das Problem vorschnell für beendet zu erklären. Solange die Hacker im Besitz der Administratorenrechte und der Zugangsdaten seien, bestehe die Gefahr weiter. Es sei nicht ausgeschlossen, dass noch immer unbemerkt Daten abfließen würden.
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Bei der Attacke handle es sich um einen „sehr ernsten, extrem problematischen Vorgang“, sagte der Internetexperte der Grünen, Konstantin von Notz. Der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek, forderte den Aufbau einer eigenen Spionageabwehr des Bundestags.
„Langfristig muss der Bundestag dringend eigene Kompetenzen aufbauen, um seine Computersysteme vor Spionage zu schützen.“ Zudem kritisierten Abgeordnete die zögerliche Informationspolitik der Bundestagsverwaltung.
Die Parlamentarier seien erst sehr spät über das wahre Ausmaß und die möglichen Folgen der Attacke in Kenntnis gesetzt worden. „Ein Großteil der Abgeordneten erfährt seit Wochen Neuigkeiten nur über die Medien“, klagte der SPD-Politiker Lars Klingbeil. Es gebe noch immer kein klares Lagebild.