Es ist, ein wenig, wie bei David und Goliath. Mehr als 11 000 Mitarbeiter beschäftigen der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Militärische Abschirmdienst zusammen – auf die Finger allerdings sehen ihnen nur ein Staatssekretär im Kanzleramt, neun Bundestagsabgeordnete, die sich einmal im Monat treffen, und ein halbes Dutzend Mitarbeiter. Dass der BND die Kollegen von der amerikanischen NSA offenbar etwas zu
ereitwillig mit Informationen aus Deutschland versorgt hat, wusste niemand von ihnen. Entsprechend laut sind nun die Rufe nach einer besseren Kontrolle der Geheimdienste.
„Ich wäre schon froh, wenn wir nicht alles erst aus der Zeitung erfahren würden.“ Die SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriele Fograscher ist eines der neun Mitglieder des streng geheim tagenden Parlamentarischen Kontrollgremiums. Von den Diensten und der Bundesregierung werden sie allerdings nur über das informiert, was sie auch erfahren sollen – für eigene Kontrollen, womöglich sogar unangemeldet, fehlt ihnen nicht nur das Personal, sondern auch das rechtliche Instrumentarium. „Natürlich können wir von den Diensten auch Auskunft verlangen“, sagt die 57-Jährige. Das aber gelte nur für Fälle von besonderer Bedeutung wie dem aktuellen Skandal oder dem Abhören von Kanzlerin Angela Merkels Handy durch die US-Amerikaner. Die SPD-Innenexpertin Eva Högl will das Kontrollgremium deshalb so umbauen und ausstatten, dass es brisante Vorgänge künftig auch selbst unter die Lupe nehmen kann und nicht auf die Zuarbeit der Dienste angewiesen ist. Dazu, sagt sie, „brauchen wir mehr Leute, mehr Geld und einen leitenden Beamten, der die Kontrolle koordiniert.“
Umfassende Auskunftsrechte
Der Schritt zu einem eigenen Geheimdienstbeauftragten wäre von da aus nicht mehr weit. Eine entsprechende Umorganisation hat der frühere Präsident von BND und Verfassungsschutz, Hansjörg Geiger, schon lange vor Bekanntwerden der jüngsten Affäre im Gespräch mit der Redaktion gefordert: „Ich schlage vor, dass der Bundestag nach dem Vorbild des Wehrbeauftragten einen Nachrichtendienstbeauftragten beruft, der die Arbeit der Dienste kontinuierlich begleitet und Risiken früh erkennt. Das kann das gegenwärtige Kontrollgremium nicht“. Während Abgeordnete wie Fograscher sich quasi neben ihrer normalen Abgeordnetentätigkeit auch noch um die Geheimdienste kümmern, würde sein Beauftragter nach Geigers Vorstellungen über einen eigenen Stab an Mitarbeitern verfügen, freien Zugang zu allen Nachrichtendiensten haben, umfassende Auskunftsrechte sowie das Recht auf Zeugenvernehmung. Vom Bundestag könnte er mit Zweidrittelmehrheit für jeweils fünf Jahre gewählt werden.
Bisher kümmern sich neben dem Parlamentarischen Kontrollgremium zwei weitere politische Instanzen um die Geheimdienste – und jede für sich hat damit offenbar ihre Probleme. Im Kanzleramt gibt es mit dem früheren Vizepräsidenten des Verfassungsschutzes, Klaus-Dieter Fritsche, inzwischen zwar einen eigenen Staatssekretär für die Aufsicht über die Dienste, die diskrete Zuarbeit des Bundesnachrichtendienstes für die NSA allerdings blieb auch dort unentdeckt.
Verborgene Aktivitäten
Außerdem tagt einmal im Monat die so genannte G-10-Kommission, ein vierköpfiges Gremium, das immer dann eingeschaltet werden muss, wenn ein Dienst ein Telefon abhören oder den Mailverkehr eines Verdächtigen mitlesen will. Ein Großteil der Aktivitäten des BND allerdings bleibt auch ihr verborgen, weil ausländischer Telekommunikationsverkehr, der beispielsweise über die zentralen Internet-Konten in Frankfurt läuft, nach Auffassung des Dienstes ungehindert überwacht werden darf. „Wenn sie einen Afrikaner abhören, der mit einem Afghanen telefoniert“, sagt der frühere Bundestagsabgeordnete Frank Hofmann (SPD), aus Volkach (Lkr. Kitzingen) eines der Mitglieder der G-10-Kommission, „dann lassen die uns draußen.“ Der Frankfurter Richter Bertold Huber, der stellvertretende Vorsitzende des Gremiums, hält das für verfassungswidrig. Nicht-Deutsche, argumentiert er, sind durch das Grundgesetz in Deutschland genauso geschützt wie Deutsche.