Zypern lag lange abseits der Flüchtlingsströme. Die Insel gehört zwar zur EU, aber nicht zum Schengen-Raum. Das erschwert die Weiterreise aufs europäische Festland. Aber jetzt kommen immer mehr Migranten auf die Insel. Denn nirgendwo ist die illegale Einreise in die EU so einfach wie hier.
„Checkpoint“ ist ein übertriebenes Wort für die kleine Baracke an der „Green Line“ in Nikosia, der Demarkationslinie, die quer durch Zypern verläuft, seit die Türkei im Sommer 1974 den Inselnorden besetzte. Einen Schlagbaum gibt es nur auf der türkisch kontrollierten Seite.
Waffenstillstandslinie
Dort demonstriert die international geächtete „Türkische Republik Nordzypern“ ihre vermeintliche Souveränität. Man prüft Pässe und erteilt „Visa“ für die Einreise in den nur von Ankara anerkannten Gänsefüßchenstaat.
Aus Sicht der griechischen Zyprer handelt es sich hier aber nicht um eine Grenze, sondern um eine willkürlich gezogene Waffenstillstandslinie. Völkerrechtlich gehört der seit über 44 Jahren türkisch besetzte Norden zum Staatsgebiet der Republik Zypern. So sieht es auch die Europäische Union, der die geteilte Insel 2004 beitrat. Zwar beobachten die an den Übergängen stationierten griechisch-zyprischen Polizisten den Personen- und Autoverkehr, verzichten aber auf systematische Ausweiskontrollen. Nicht nur an den offiziellen Übergängen kommen irreguläre Migranten so unentdeckt in den Inselsüden. An der 180 Kilometer langen Demarkationslinie gibt es viele Schleichwege, die vom türkisch kontrollierten Norden durch die von der UN-Friedenstruppe überwachte Pufferzone in den Inselsüden und damit in die EU führen.
Die Reise von der Türkei nach Nordzypern ist einfach. Es gibt tägliche Flugverbindungen von Ankara und Istanbul sowie Fährverbindungen von den türkischen Häfen Tasucu und Mersin. Vor allem auf dem Seeweg sind die Kontrollen lax.
Behörden überfordert
Nicht nur Kriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak nutzen diesen Weg, auch Armutsmigranten aus asiatischen und afrikanischen Ländern kommen in die türkische Besatzungszone und von dort in die Republik Zypern. Beantragten im Süden 2016 noch rund 3000 Migranten Asyl, waren es 2017 fast 5000. In diesem Jahr war die Vorjahreszahl bereits im August erreicht. Die Behörden kommen nicht mehr mit. Rund 8000 unerledigte Asylanträge stapeln sich bei den Ämtern. Ihre Bearbeitung kann bis zu einer letztinstanzlichen Entscheidung über drei Jahre dauern. Weil die beiden staatlichen Erstaufnahmelager überfüllt sind, müssen sich die meisten Neuankömmlinge selbst eine Bleibe suchen. Viele campieren in Parks oder hausen in selbstgezimmerten Verschlägen. Die EU unterstützt Zypern bei den Asylverfahren personell mit Dolmetschern und anderen Fachkräften. Brüssel gibt auch Finanzhilfen für die Unterbringung der Flüchtlinge, fast 40 Millionen Euro sind für den Zeitraum 2014 bis 2020 bewilligt. Innenminister Konstantinos Petrides hat für den Ausbau der Unterkünfte weitere EU-Gelder beantragt.
Zur Beschleunigung der Asylverfahren will Zypern außerdem Sondergerichte schaffen, um die Einsprüche gegen die erstinstanzlichen Entscheide schneller zu bearbeiten.
Aber der Druck wächst. Bereits jetzt beherbergt die Inselrepublik in Relation zur eigenen Bevölkerung mehr Migranten als jeder andere EU-Staat. Nach Berechnung der EU-Statistikbehörde Eurostat kamen in Zypern im zweiten Quartal 2018 auf eine Million Einwohner 1656 Asylbewerber. Im Durchschnitt aller EU-Staaten lag die Zahl nur bei 267.
Zyperns Präsident Nikos Anastasiades erklärte am Mittwoch vor dem Europaparlament, sein Land stehe unter einem „extremen Druck“. Der Staatschef forderte, mit einem EU-weiten Aufnahmeverfahren die Lasten gerechter zu verteilen. Darauf setzen auch die Migranten, denn auf Zypern wollen die wenigsten bleiben. Hier sitzen sie in einer Falle.
Als Insel hat das Land keine gemeinsamen Grenzen mit anderen EU-Staaten, es gehört nicht zum Schengen-Raum, und die Passkontrollen auf dem Flughafen von Larnaka gelten als besonders streng.