Sie treten wieder an. Und zwar nicht nur für das Berliner Abgeordnetenhaus, das Landesparlament der Hauptstadt, sondern auch für die Parlamente in den zwölf Bezirken der Metropole. An Kandidaten jedenfalls herrscht kein Mangel. Und ihre Plakate hängen unübersehbar in der ganzen Stadt. Allein das ist für die Berliner Piratenpartei schon ein Erfolg. Denn vor kurzem noch sah es so aus, als würde die Partei – die vor fünf Jahren an der Spree einen Sensationserfolg feierte, indem sie aus dem Stand mit 8,9 Prozent der Stimmen in Fraktionsstärke ins Abgeordnetenhaus einzog – kentern.
Doch rechtzeitig vor der Wahl am Sonntag, den 18. September, sind die Piraten wieder aufgetaucht und mischen den eher laut- und lustlosen Wahlkampf mit ihren frechen Sprüchen und schrillen Plakaten auf. Dabei sind die Chancen für die politischen Freibeuter, den Wiedereinzug ins Landesparlament zu schaffen, äußerst gering. In Umfragen liegen sie bei drei Prozent. Allerdings zeigt die Kurve nach oben.
Zu Beginn des Jahres waren ihre Werte kaum mehr messbar. Und vor allem in den links-alternativ geprägten Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg, Pankow oder Schöneberg, wo viele Studenten, Künstler, Kreative und Hipster zuhause sind und wo bereits drei Prozent der Stimmen zum Einzug in die Bezirksverordnetenversammlungen reichen, könnten wieder etliche Mandate in den Rathäusern drin sein.
An der schwierigen Situation ihrer Partei sind die Piraten allerdings selber schuld. Nach dem Triumph bei den Wahlen folgten öffentlich ausgetragener Streit und Personalquerelen. Den Ruf einer „Chaostruppe“, in der jeder macht, was er will und keiner den Kurs vorgibt, bekam die Fraktion nicht mehr los. „Fünf Jahre währte ihre Fahrt – und ständig ging einer über Bord“, höhnte der Berliner „Tagesspiegel“ über die bunte Truppe.
Sieben Mitglieder der 15-köpfigen Fraktion traten im Laufe der Legislaturperiode aus der Partei aus, unter ihnen auch Martin Delius, der sich als Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses im Parlament wie in der Öffentlichkeit große Anerkennung erwarb, schon seit längerem die Linke unterstützt und wenige Tage vor der Wahl offiziell Mitglied der Linken wurde.
Die Partei habe nie eine wirkliche Basis gehabt, analysiert er selbstkritisch, die Piraten wären „nie politisch“ gewesen. „Die internen Streitigkeiten verliefen nie an unterschiedlichen inhaltlichen Auffassungen, sondern immer auf persönlicher Ebene.“ Ähnlich sieht es auch Christopher Lauer. Von 2012 bis 2013 war er Fraktionschef, 2014 verließ er die Partei, zeitweise beriet er den „Springer“-Verlag und liebäugelt mit einem Übertritt zur SPD. Er klagte schon früh über die mangelnde Professionalität der Partei und ihrer Mitglieder. „Ein Großteil der Piraten war immer unpolitisch und unfähig zum Kompromiss.“
Gleichwohl bedauern nicht nur Lauer, sondern auch viele Beobachter der politischen Szene Berlins das sich abzeichnende Ausscheiden der Piraten aus dem Landesparlament. „Es gibt Themen, die artikuliert so keine andere Partei“, sagt Lauer. Immer wieder prangerten die Abgeordneten den sprichwörtlichen „Berliner Filz“ an, setzten mit mehr als 2000 Anträgen sowie parlamentarischen Anfragen die Große Koalition unter Druck und prangerten lautstark die Missstände in der Berliner Verwaltung an.
Viel ändern konnten sie allerdings nicht, in der Ablehnung der Anträge der Opposition waren sich SPD und CDU einig. So fällt denn auch die Bilanz von Ex-Pirat Martin Delius nach fünf Jahren Parlamentsarbeit reichlich desillusioniert aus: „Diesen Berliner Senat kann man nur mit aller Gewalt dazu bringen, sich zu öffnen und ein Mindestmaß an Transparenz zuzulassen.“