Es sind nur anderthalb Kilometer vom gut gesicherten Bundeswehrlager in Feyzabad zum Ausbildungszentrum der afghanischen Polizei. Aber bevor Wolfgang Schäfer in den gepanzerten Mercedes-Geländewagen steigt, um an seinen Arbeitsplatz zu kommen, wird jeden Morgen die Sicherheitslage gepeilt.
Beim Besuch ranghoher Politiker (wie US-Präsident Barack Obama) steigt die Gefahr, dass die Taliban mit Anschlägen reagieren, um zu zeigen, wer das Sagen hat am Hindukusch. Aber auch, wenn gerade wieder Nachrichten von Koranverbrennungen kursieren oder provozierende Videos von US-Soldaten, die mit toten Taliban posieren, kann es sein, dass er gewarnt wird, das Lager zu verlassen.
Das sei aber selten, sagt Schäfer, der im normalen Leben in Würzburg Chef der für Unterfranken zuständigen Bundespolizei-Inspektion ist. „Wir sind in Feyzabad auch von Beschuss, Bomben und Selbstmordattentätern bisher verschont geblieben.“
In die Stadt von 30 000 Einwohnern führt den Unterfranken allenfalls eine dienstliche Begegnung mit dem örtlichen Gouverneur oder Polizeichef. „Shopping-Touren sind nicht drin.“ Die Freizeit verbringen sie, gut gesichert hinter Sandsäcken und Stacheldraht, im Bundeswehrlager.
Fachleute wie der Unterfranke sollen afghanischen Polizisten in achtwöchigen Kursen das kleine Einmaleins der Sicherheit vermitteln, etwa 80 Mann pro Kurs. „Wir bringen ihnen bei, Kontrollsituationen erfolgreich zu bestehen.“ Die Rekruten üben etwa, wie man Handschellen anlegt oder einen Verdächtigen durchsucht. Der Kurs ist Pflicht, wenn man (für etwa 150 Dollar pro Monat) dort Polizist werden will.
Doch das Ende des deutschen Engagements in der Ausbildung ist absehbar. „Ende Oktober schließen wir Feyzabad.“ Dann sollen einheimische Ausbilder die Kurse fortführen. Sie bekommen immer mehr Verantwortung für den Lehr- und Organisationsbetrieb übertragen, erklärt Schäfer. Sein Ziel ist es, „die Trainer sattelfest zu machen“.
Die Arbeitsbedingungen können einen nerven wie der feine Staub, der sich in jede Ritze setzt, wie die Hitze oder das Gerede in Deutschland, dass der Einsatz am Hindukusch für die Katz wäre. Aber der 50-jährige Familienvater aus Obereuerheim (Lkr. Schweinfurt) ist ein Überzeugungstäter – und das heißt etwas bei einem Polizisten, der von Beruf her prinzipiell eher skeptisch ist. Sechs Monate Auslandseinsatz haben seinem Optimismus nichts anhaben können.
Als Deutscher genieße man hohe Wertschätzung bei den Afghanen, sagt er. Sie wüssten zu schätzen, wie die Deutschen auftreten – respektvoll, zurückhaltend, aber kompetent. „Das ist nicht vergeblich“, sagt der Unterfranke, der als Mentor dem afghanischen Chef des Ausbildungszentrums zur Seite steht. „Da wird etwas bleiben.“
Von Desinteresse oder Ablehnung verspürt er im Heimaturlaub gerade nichts – im Gegenteil. Während im Fernsehen Bilder vom Afghanistan-Besuch des US-Präsidenten Barack Obama zu sehen sind, wird Schäfer vom heimischen Sportverein zum Vortrag über seinen Einsatz gebeten. Seine Frau wird im Heimatort gefragt, wie es vorangehe. Und jetzt haben auch Schulen bei ihm angeklopft. „Damit hatte ich nicht gerechnet“, sagt Schäfer. „Das ist neu für mich.“
Die Provinzhauptstadt Feyzabad (im Bundeswehrjargon „Bad Feyza“) ist einer von drei Bundeswehrstandorten im deutsch kontrollierten Norden – und fest in fränkischer Hand. Mit dem Kommandeur versteht sich der Unterfranke Schäfer gut – bis zum Frühjahr war das Oberst Peter Utsch aus Karlstadt, nun ist es ein Mittelfranke.
Kommende Woche kehrt Schäfer von Obereuerheim nach Afghanistan zurück. Er schwärmt schon vom traumhaften Blick hinunter auf den Hindukusch, wenn er von Kabul nach Feyzabad fliegt. Was er nicht sagt: Allein schon der Anflug auf „Bad Feyza“ ist abenteuerlich, wie ein Insider weiß: Der Tower ist noch im Bau, die Piloten tauchen im Sichtflug von den über 2000 Meter hohen Bergen hinunter auf die alte Ponton-Landebahn der Russen aus den 80-er Jahren.
Zuerst prüfen sie, ob dort keine Tiere, Felsbrocken oder andere Hindernisse im Weg sind. Dann zieht die Propellermaschine in einer steilen Linkskurve übers Tal, um holpernd auf der Piste aufzusetzen – während der Magen der Passagiere Fahrstuhl fährt. Aber Schäfer versichert tapfer: „Ich fahre gerne wieder rüber.“
Spätestens 2014 wollen die Internationalen Truppen die Sicherheitsverantwortung den Afghanen übergeben. 134 000 Polizisten sollen bis dahin ausgebildet sein. Für zehn Prozent sind die deutschen Beamten zuständig. „Ich will meine zwölf Monate vollmachen“, das wäre bis zur Jahreswende. Natürlich ist Schäfer gespannt, wie nach dem Abzug der Aufbauhelfer 2014 die Zukunft aussieht. „Aber ich bin sicher, dass es weitergeht.“