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MÜNCHEN
„CSU ist das bayerische Paradoxon“
reda
 |  aktualisiert: 14.03.2014 20:14 Uhr

Mit seinen prorussischen Äußerungen beim Politischen Aschermittwoch hat der CSU-Parteivize Peter Gauweiler für viel Ärger gesorgt. In der Krim-Krise warnt er vor gegenseitigen Drohungen und wirbt um Verständnis für Putin.

Frage: Herr Gauweiler, Sie sind mit Ihren prorussischen Äußerungen beim Politischen Aschermittwoch in Passau auf Kritik in den eigenen Parteireihen gestoßen. Es gab aber auch viele, die Ihre Haltung, auch in Leserbriefen, mit Nachdruck unterstützt haben.

Peter Gauweiler: Es ist bei uns eine Unkultur, dass man wechselseitig nicht anderer Meinung sein können soll. Ist es wirklich nur Unwissenheit oder Charakterlosigkeit, wenn bei uns inhaltlich jemand anderer Meinung ist? Dass man Dinge anders sieht oder bewertet, sollten wir alle ertragen können.

Wie sehen Sie denn die Situation in der Ukraine heute?

Gauweiler: Ein bisschen erinnert mich das Ganze schon an die Irak-Debatte vor zwölf Jahren. Damals hat man mit vollen Backen von Intervention gesprochen und alle haben das für richtig gehalten. Aber das ging in die falsche Richtung. Der Urfehler hinter der heutigen Debatte ist, dass wir, als der Eiserne Vorhang fiel, das neue Russland nicht miteinbezogen haben. Man hat immer gesagt: Bär bleibt Bär.

Sie haben also Verständnis für die Reaktion Russlands?

Gauweiler: Immer mehr Länder sind nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in die Nato einbezogen worden, unter Bruch des feierlichen Versprechens an Gorbatschow vom gemeinsamen europäischen Haus. Dem neuen Russland wurde eine Niederlage nach der anderen zugefügt. Jahrhundertelang war die Ukraine Teil Russlands und ihre Geschichten waren verwoben. Wir sollten uns in dieser Situation vor jeder einseitigen Parteinahme zurückhalten.

Und Kreml-Chef Wladimir Putin?

Gauweiler: Putin ist sicher kein Waisenknabe, aber die Menschen in Russland sind mehrheitlich für ihn, weil er ihnen ein bisschen Stolz zurückgegeben hat. Auf der Krim stellt sich schon die Frage, ob die Leute Grund dazu haben, an dem anderssprachigen Revolutionssystem in Kiew zu zweifeln. Deshalb wäre es bei dieser Gemengelage klug, Kanzlerin Angela Merkel das tun zu lassen, was sie eigentlich wollte – nämlich einen Modus Vivendi zu finden.

Aber es war doch auch die Kanzlerin, die Putin mit noch schärferen Sanktionen gedroht hat.

Gauweiler: Das amtliche Brüssel hat uns in eine Drohungseskalation gebracht. Doch gegenseitige Drohungen sind kein Ersatz für einen politisch diplomatischen Weg aus der Krise, sondern erschweren ihn.

Würden Sie Putin also einfach machen lassen?

Gauweiler: Eines muss klar sein: Ein militärisches Vorgehen ist keine Option. Unter keinen Umständen. Und wenn das so ist, müssen aber auch Spiele, wie mit eventuellen Nato-Manövern in der Ukraine, sofort aufhören. Nato-Generalsekretär Rasmussen, der sich schon öfter unrühmlich hervorgetan hat, hat der Sache mit der Ankündigung von Manövern einen schweren Schaden zugefügt.

Was wäre dann der richtige Weg?

Gauweiler: Alle Themen auf den Tisch legen. Also auch: Wie steht es um die Legitimation der neuen Regierung in Kiew? In der ukrainischen Verfassung steht ausdrücklich, dass man den Präsidenten nur mit 75 Prozent des Parlaments abwählen kann. Was bei der Abwahl Janukowitschs nicht erreicht wurde, obwohl das Parlament von bewaffneten Revolutionären umzingelt war. Dann die Frage nach der Autonomie der Krim, die historisch zu Russland gehörte und von Chruschtschow in einer Schnapslaune verschenkt worden war – ohne freilich deren Zugehörigkeit zur UdSSR in Frage zu stellen. Kann diese Autonomie im derzeitigen ukrainischen Staat hergestellt werden? Und dann muss auch die Sprachenfrage anders geklärt werden als es das Revolutionsparlament mit der faktischen Unterbindung von Russisch selbst auf der Krim versucht hat.

Die Europäische Union hat der Ukraine eine Milliardenhilfe versprochen.

Gauweiler: Zu den von Brüssel angebotenen 15 Milliarden muss man im Gegenzug fragen, ob es stimmt, dass es in der Ukraine mindestens 200 Milliardäre gib, von denen die Bekanntesten heute in Kiew den Ton angeben. Wie sieht deren finanzielle Beteiligung aus? Kann man den Menschen bei uns klar machen, dass die EU-Hilfen nicht in die falschen Taschen fließen?

Nun läuft am Sonntag das Referendum auf der Krim. Sind wir damit einer Lösung näher?

Gauweiler: Überall, auf der Krim wie in der gesamten Ukraine, muss das Volk entscheiden, nicht die Straße. Und zwar sehr zeitnah. Es ist doch so, dass das politische Personal von Julia Timoschenko, die kein unbeschriebenes Blatt ist, eine Schlüsselposition nach der anderen an sich zieht. Das haben wir vor Jahren in Kiew schon einmal erlebt. Es war doch Timoschenko, die schon den früheren Präsidenten Juschtschenko mit einer Revolte abgeschossen hat. Wir dürfen nicht so tun, als seien die einen nur die Bösen und die anderen nur die Guten.

Ihre prorussischen Äußerungen waren das eine. Sie haben auch die EU-Kommission heftig kritisiert und als „Flaschenmannschaft“ bezeichnet. Dafür hat sie die EU-Kommissarin Viviane Reding angegriffen. Die CSU wolle die AfD rechts überholen, sagte sie.

Gauweiler: Dass Frau Reding Kritiker ihrer Kommission in die rechte Ecke stellt, passt. Sie kann nicht anders. Das mit der Flasche war ein bisschen grob. Niemand ist immer nur eine Flasche. Selbst ich nicht.

Sie haben damit durchaus für Diskussionsstoff gesorgt. Ist die CSU denn die Partei der Europakritiker?

Gauweiler: Die CSU ist alles und immer auch das Gegenteil. Sozusagen das berühmte bayerische Paradox. Wir waren immer ganz bayerisch und manchmal auch die letzten Preußen. Und irgendwann werden wir auch die letzten Europäer sein. Uns lässt dieser Gedanke an Europa nicht los. Deshalb regt uns alle so auf, was mit Europa passiert. Wo doch die Europa-Idee als solche überall positiv beurteilt wird, und das Ansehen der Apparate der EU dazu im krassen Gegensatz steht. Ein Zeichen der Krise können wir daran sehen, dass ja auch die Beteiligung an der Europawahl beständig abnimmt. Das wollen wir ändern.

Peter Gauweiler

Seit November 2013 ist Peter Gauweiler stellvertretender Vorsitzender der CSU. Von 1990 bis 1994 war der promovierte Jurist bayerischer Staatsminister für Landesentwicklung und Umweltfragen. Seit 2002 ist der 64-Jährige Mitglied des Bundestags. Gauweiler ist evangelisch, verheiratet und Vater von vier Kindern. FOTO: dpa

 
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