Mehr Harmonie ging kaum noch. Eine alte chinesische Weise, mit dem an Poesie nur schwer zu überbietenden Titel „Am Frühlingsfluss bei Nacht im Mondschein“ – gespielt in Pekings Nationaltheater, vor einer riesigen Orgel, die aus einer Bonner Werkstatt kommt. Dazu noch ein gemeinsames Ballett von jungen Tänzern aus beiden Ländern: vier Männer aus Deutschland, vier Frauen aus China. Mit viel Bedacht auf die Inszenierung haben Bundes- und Volksrepublik am Donnerstag das 40-jährige Bestehen ihrer diplomatischen Beziehungen gefeiert. Außenminister Guido Westerwelle sprach zum Auftakt eines dreitägigen China-Besuchs sogar von einer „atemberaubenden Erfolgsgeschichte“. Kritische Fragen waren an einem solchen Tag in Peking noch weniger erwünscht als sonst.
In der Tat gab es aber auch einiges zu feiern. Genau 40 Jahre war es her, dass die damaligen Außenminister Walter Scheel und Tschi Peng-Fei am 11. Oktober 1972 im Festsaal des Nationalen Volkskongresses den Austausch von Botschaftern vereinbarten. Die Zeiten waren damals noch sehr viel anders: Deutschland noch geteilt, das kommunistische China arm und arg isoliert. Heute sind Deutschland und China zwei der größten Exportnationen der Welt, wirtschaftlich so eng miteinander verflochten wie nur wenige sonst.
Auf europäischer Ebene ist Berlin für Peking mit Abstand der wichtigste Partner. Erst Ende August war Kanzlerin Angela Merkel mit dem halben Kabinett zu Besuch. Keine sechs Wochen später ist Westerwelle nun nochmals alleine da – auch er entschlossen, sich den Tag nicht verderben zu lassen.
So spielte das Thema Menschenrechte, um das es bei deutsch-chinesischen Begegnungen länger schon leise geworden ist, in der Öffentlichkeit keine Rolle. Allenfalls in Andeutungen ging Westerwelle darauf ein – zum Beispiel beim abendlichen Festakt mit der Bemerkung: „Wir haben Beziehungen zueinander entwickelt, die auch Meinungsunterschiede aushalten.“ Dazu gehört inzwischen auch die Kunst, öffentliche Kritik am „strategischen Partner“ so diskret einzubetten, dass sich der andere bloß nicht brüskiert fühlt.
Bei dem gemeinsamen Auftritt mit Chinas Außenminister Yang Jiechi kam Westerwelle aber auch gar nicht erst in Versuchung, so eisern führte die chinesische Seite Regie. Nach den langen Eingangserklärungen wurde nur eine einzige deutsche Frage erlaubt. Yang Jiechi nutzte diese für eine Antwort, die kaum ein Ende nehmen wollte. Jede Nachfrage wurde durch einen Mitarbeiter des Außenministeriums verhindert, indem er das Mikrofon einzog. Dann wurde die „Pressekonferenz“ für beendet erklärt. Auf diese Weise blieb den beiden Ministern die Frage nach dem Schicksal des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo erspart. Am Freitag jedoch will sich Westerwelle in seinem Pekinger Hotel mit kritischen Bloggern treffen.
Die Verleihung des diesjährigen Friedensnobelpreises am Freitag wird die Erinnerung an Liu Xiaobo aber zurückbringen. Zudem bekommt der in China verfolgte Schriftsteller Liao Yiwu an diesem Sonntag in Frankfurt den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die Führung in Peking ist darüber heftig verärgert.