
Sein Versteck war im Stadtteil Nasr City, wo sich bis letzten Mittwoch das zentrale Protestcamp der Islamisten befand. Am Dienstag spürte die Polizei den Chef der Muslimbruderschaft, Mohammed Badie, dort in einer Privatwohnung auf und nahm ihn fest, möglicherweise nach dem Tipp eines Hausbewohners, oder weil die Fahnder Badies Handy orten konnten.
Auf Fernsehbildern des privaten Sender ONTV, die mit triumphaler Musik unterlegt waren, sitzt der 70-Jährige regungslos und mit tiefen Rändern unter den Augen auf einem Sofa, neben ihm ist ein Polizist mit Sturmgewehr zu sehen. Wenige Stunden später bereits ernannte die islamistische Organisation einen provisorischen Nachfolger für Badie, den bisherigen zweiten Mann Mahmoud Ezzat. Der Medizinprofessor gilt als Hardliner mit ausgeprägt autoritärem Führungsstil.
Nach der Verhaftung von Badie, der seit vier Wochen gesucht wurde, sitzt jetzt praktisch die gesamte Führungsspitze der Muslimbruderschaft hinter Gitter. Den ersten Mitgliedern soll bereits Ende dieser Woche der Prozess gemacht werden, was die extremen Spannungen im Land weiter anheizen dürfte.
Haft für Mursi verlängert
Gleichzeitig wurde die Untersuchungshaft für den abgesetzten Präsidenten Mohammed Mursi um weitere 15 Tage verlängert. Mursi steht in einer Militäreinrichtung im Großraum Kairo unter Arrest. Nach Informationen von „Al Jazeera“ eröffnete die Staatsanwaltschaft am Dienstag auch ein Verfahren gegen den zurückgetretenen Vize-Interimspräsidenten Mohamed ElBaradei, der sich nach Österreich abgesetzt hat. Er habe mit seinem Rücktritt „das Vertrauen der Nation gebrochen“, lautet der Vorwurf.
Badie wurde noch im Laufe des Tages in das Tora-Gefängnis gebracht, wo seit zwei Jahren der gestürzte Präsident Hosni Mubarak zusammen mit seinen beiden Söhne Alaa und Gamal einsitzt. Die Justiz wirft Badie vor, er habe zur Gewalt gegen den Sicherheitsapparat und staatliche Einrichtungen aufgerufen. Badies Sohn Ammar wurde letzten Freitag bei den blutigen Unruhen rund um den Ramses-Platz im Stadtzentrum von einer Polizeikugel getroffen und getötet. Seit der brachialen Räumung der beiden Protestcamps der Muslimbrüder durch Polizei und Militär am letzten Mittwoch starben in Ägypten weit mehr als 1000 Menschen, darunter 100 Polizisten und Soldaten, und wurden über 4000 verletzt.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon appellierte erneut an die ägyptische Führung, Mursi freizulassen oder zumindest zu garantieren, dass ihm ein transparenter Prozess gemacht wird. „Der politische Bewegungsspielraum der Muslimbrüder sollte ausgedehnt werden, er ist bisher extrem eingeschränkt“, forderte Ban.
Beide Seiten, die Regierung und die politischen Führer, hätten eine gemeinsame Verantwortung, die Gewalt zu beenden und den politischen Prozess wieder zu beleben. Die Vereinigten Staaten forderten die Machthaber am Nil auf, die Muslimbruderschaft nicht zu verbieten. Ein Sprecher des Weißen Hauses nannte den Arrest Mursis „politisch motiviert“ und „nicht in Übereinstimmung mit den Menschenrechtsstandards, die wir von anderen Nationen erwarten“.
Krisensitzung der Außenminister
Unterdessen begannen einen Tag vor der Krisensitzung aller 28 EU-Außenminister zu Ägypten die ersten Nationen, ihre Staatsbürger zu evakuieren. Malaysia ließ am Dienstag Hunderte von Tickets buchen für Flüge nach Istanbul und Oman, um noch in dieser Woche alle seine 3300 Studenten auszufliegen. Die Philippinen ordneten ebenfalls die Abreise aller ihrer 6000 Landsleute aus Ägypten an.
Deutschland hob seine Alarmstufe für Ägypten auf das gleiche Niveau an, wie zur Zeit des Volksaufstands gegen Hosni Mubarak im Januar 2011. Angehörige von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes können sich auf Staatskosten nach Deutschland ausfliegen lassen.