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BRÜSSEL
Ceta: Belgien bemühte sich vergeblich um das Ja der Wallonie
Emergency talks in an effort to save an EU free trade deal with C       -  Ein Ceta-Gegner steht vor dem Büro des belgischen Ministerpräsidenten Charles Michel in Brüssel.
Foto: STEPHANIE LECOCQ, dpa | Ein Ceta-Gegner steht vor dem Büro des belgischen Ministerpräsidenten Charles Michel in Brüssel.
Miriam Moll
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:42 Uhr

Die Enttäuschung stand dem belgischen Premier Charles Michel förmlich ins Gesicht geschrieben: „Die Antwort der wallonischen Regierung hat uns angesichts der Politik des leeren Stuhls nicht überrascht“, sagte der Liberale am vorläufigen Ende eines diplomatischen Marathons. Er sollte den Durchbruch für das Freihandelsabkommen Ceta der EU mit Kanada bringen. Bereits seit dem vorvergangenen Wochenende hatte Michel versucht, die Zweifel der südlichen, französischsprachigen Region seines Landes auszuräumen – oder vielmehr von deren Ministerpräsident Paul Magnette. Bis zum Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs vergangene Woche war dies misslungen – nun scheint die geplante Unterzeichnung an diesem Donnerstag, zu der Justin Trudeau aus Ottawa anreisen sollte, fast schon eine Utopie.

Ausgerechnet Ratspräsident Donald Tusk hatte sich noch am Freitagabend dazu hinreißen lassen, ein Ultimatum zu stellen – und damit den wallonischen Widerstand womöglich noch verschärft: Belgien habe bis zum gestrigen Montagabend Zeit, die abtrünnige Wallonie mit ins Boot zu holen. Die Antwort Magnettes kam über Twitter: „Ein Ultimatum ist mit den demokratischen Rechten unseres Landes nicht vereinbar“, schrieb er dort.

Und setzte mit einem Seitenhieb auf die Brüsseler Behörden hinzu: „Schade, dass die EU auf diejenigen, die den Kampf gegen Steuerbetrug blockieren, nicht einen ebenso intensiven Druck ausübt. Die Kommission bemühte sich am Montag vergebens, die Wogen zu glätten. Diese „pflegt nicht mit Ultimaten zu arbeiten“, sagte Sprecher Margaritis Schinas etwas säuerlich. Und: „Wir müssen jetzt Geduld haben.“

Sinnbild des Widerstands

Dass der wallonische Ministerpräsident Paul Magnette, der innerhalb weniger Tage zum Sinnbild des Widerstands gegen Freihandel geworden ist, den Verhandlungen am Wochenende ferngeblieben ist, zeichnet ein düsteres Bild der politischen Situation in Belgien. Zwar hatte Michel erst unlängst eine Vertrauensfrage im Parlament in Brüssel für sich entscheiden können. Doch nach den misslungenen Verhandlungen werden die Brüche immer deutlicher: Der Parteivorsitzende der sozialdemokratischen PS, Elio Di Rupo, kündigte unmittelbar nach der Sitzung bereits unmissverständlich an, dass noch „Wochen“ für die Verhandlungen nötig seien. „Wir wollen Transparenz“, erklärte der Präsident der wallonischen Volksvertretung, André Antoine, der der christlich-sozialen Partei cdH angehört.

Dabei hatte sich die EU-Kommission bemüht, über Zusatzdokumente jegliche Zweifel auszuräumen. Doch Magnette reicht das offenbar nicht aus. Vor allem beim Investitionsschutz, also der Art und Weise, wie Rechtsstreitigkeiten zwischen Unternehmen und einem Staat geklärt werden, hat er Zweifel. Dabei heißt es in dem Zusatzdokument ausdrücklich, dass die beteiligten Länder dafür selbst Richter benennen können, die Verhandlungen werden also nicht, wie bei Schiedsgerichten oft üblich, von Anwälten geführt.

Der Hintergrund dürfte ein anderer sein. Zwar hängen laut einer Statistik der Kommission einer von sechs Jobs in Belgien vom Export ab. Doch 90 Prozent des Handels, den das Land mit Kanada betreibt, laufen über Flamen, den niederländisch-sprachigen nördlichen Teil des Benelux-Staats. Magnette fürchtet um das Überleben seiner Bauern, den Arbeitnehmerschutz, den Verbraucherschutz – trotz der Zusatzdokumente. Dennoch gab er gestern erstaunlich leise Töne von sich: „Wir brauchen noch mehr Zeit“, so der Sozialdemokrat.

Erstaunlich einig waren sich die Vertreter der größten Parteien im Europäischen Parlament in der Einschätzung von Magnettes Blockadehaltung: „So kann Europa nicht weitermachen. Es ist ein unwürdiges Theater, das die EU-Staaten bei Ceta gerade aufführen“, formulierte es der Chef der EVP-Mehrheitsfraktion Manfred Weber (CSU). Der ehemalige belgische Ministerpräsident Guy Verhofstadt, der den Liberalen in der Volksvertretung vorsteht, konnte dem nur beipflichten: „Es ist mehr als deutlich geworden, dass die Verpflichtung, Handelsabkommen von nationalen und regionalen Parlamenten ratifizieren zu lassen, völlig überholt ist.“

 
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