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LONDON
Camerons Schmach von Rochester
reda
 |  aktualisiert: 21.11.2014 18:58 Uhr

Der Albtraum für den britischen Premierminister David Cameron geht weiter und so schnell wird er aus ihm nicht erwachen. Das zeigt das Ergebnis einer Nachwahl im südenglischen Kreis Rochester and Strood. Die Rechtspopulisten der europafeindlichen Unabhängigkeitspartei Ukip haben den konservativen Tories den zweiten Parlamentssitz binnen sechs Wochen weggeschnappt. Ukip-Kandidat Mark Reck-less gewann mit deutlichem Vorsprung gegen seine konservative Konkurrentin Kelly Tolhurst. 42,1 Prozent stimmten für den Überläufer, nur 34,8 Prozent blieben den Tories treu. Reckless, der seit 2010 für die Konservativen im britischen Parlament saß, hatte im September seinen Rücktritt erklärt und war zu den Rechtspopulisten übergelaufen, dadurch wurde die Nachwahl fällig.

Der 43-Jährige hat es nach Doug-las Carswell, der im Oktober nach seinem Parteiwechsel ebenfalls eine Nachwahl unter dem lilafarbenen Ukip-Banner gewann, also geschafft, dass Ukip endgültig in der britischen Politik angekommen ist. Vor wenigen Monaten schien das noch undenkbar, seit der Europawahl im Mai bestimmen die Rechtspopulisten jedoch die politische Debatte im Land.

Die Partei unter dem Vorsitzenden Nigel Farage kämpft für einen Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union und will die Immigration stark beschränken. Ukip werde „euch euer Land zurückgeben“, versprach Reckless nach Bekanntgabe des Ergebnisses den Briten. Sein Sieg beweise, dass Ukip auch landesweit gewinnen könne. „Wenn ihr denkt, dass die Welt größer als Europa ist, wenn ihr an ein unabhängiges Großbritannien glaubt, dann schließt euch uns an“, frohlockte Reckless, der in den vergangenen Wochen mit ausländerfeindlichen Parolen aufgefallen war, jedoch danach erklärt hatte, missverstanden worden zu sein.

Während Farage auf einer Welle des Erfolgs reitet, bedeutet dieser Sieg der Aufständischen für Cameron eine demütigende Niederlage. Er versprach seit Wochen, alles dafür zu tun, den Wahlkreis zu halten, um Stärke zu demonstrieren und mögliche Nachahmer in den Abgeordnetenreihen abzuschrecken. Gebracht haben selbst der hohe Einsatz von Geld und Personal offenbar wenig, um die Anziehungskraft der EU-Hasser zu schmälern. Nun muss Cameron weitere Überläufer fürchten, eine Spaltung der Konservativen droht. Und das nur ein halbes Jahr vor der Parlamentswahl im Mai, bei der seine Wiederwahl auf dem Spiel steht. Die Tories fordern eine absolute Mehrheit von ihm, sonst könnte es knapp für Camerons Zukunft als Premier werden. Trotzig erklärte Cameron am Freitag, die Tories wollten den Wahlkreis im Mai zurückholen.

Wollen die politikverdrossenen Briten dem Establishment in Westminster nur einen Denkzettel verpassen? Oder wird Ukip tatsächlich im Mai eine entscheidende Rolle spielen? Bislang ist das Rennen zwischen den Konservativen und der sozialdemokratischen Labour-Partei kaum vorauszusehen. Doch sollten sich die Wähler im konservativen Lager auf Tories und Ukip aufteilen, könnte am Ende der Labour-Oppositionschef Ed Miliband profitieren und als Premier in die Downing Street einziehen. Das Argument, dass jede Stimme für Ukip eine verschwendete Stimme sei, wie Cameron behauptet, ist dementsprechend überholt. Das wissen auch die Konservativen, die Stimmung unter den Parlamentariern ist auf dem Tiefpunkt.

 
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