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BERLIN
Bundestag beschließt Pflegereform
dpa
 |  aktualisiert: 29.06.2012 19:31 Uhr

Mit dem Beschluss der Pflegereform hat der Bundestag den Weg für mehr Leistungen für Demenzkranke und private Zusatzversicherungen freigemacht. Die Opposition lehnte die Reform am Freitag im Plenum geschlossen als völlig ungenügend ab. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verteidigte die einzelnen Schritte: „All das sind Verbesserungen, die den Menschen unmittelbar zugutekommen.“ Die Reform wurde mit den Stimmen von Union und FDP beschlossen, von 591 Abgeordneten stimmten 324 dafür und 267 dagegen.

Der Beitragssatz steigt zum 1. Januar 2013 von 1,95 auf 2,05 Prozent. So werden mehr Leistungen vor allem für Demenzkranke finanziert. Altersverwirrte ohne Eingruppierung in eine Pflegestufe können erstmals Pflegegeld von 120 Euro oder Sachleistungen von bis zu 225 Euro bekommen. Neue Wohnformen, sogenannte Pflege-WGs, werden gefördert. Eingeführt wird eine staatliche Förderung privater Pflegezusatzversicherungen, bekannt als „Pflege-Bahr“. Pro Monat werden die Policen mit fünf Euro bezuschusst.

„Skandal und Armutszeugnis“

Die Opposition kritisierte das Gesetz als Reförmchen, Täuschung, Skandal und Armutszeugnis. „Diese sogenannte Pflegereform ist ein Stück aus dem Tollhaus“, sagte SPD-Fraktionsvize Elke Ferner. Nach zweijährigem Stillstand werde auch jetzt kein Problem gelöst. Der Pflege-Bahr sei ein Einstieg in den Ausstieg der paritätischen Finanzierung. Die Zusatzversicherungen würden für Betroffene zu teuer. „Diejenigen, die einigermaßen gesund sind, werden in einen Tarif reingesteuert werden, der billiger ist als der geförderte Tarif.“ Sozialschwächere könnten sich eine Zusatzpolice auch mit Förderung nicht leisten.

Auch die Grünen-Gesundheitsexpertin Birgitt Bender kritisierte die Zusatzversicherung: „Sie entspricht voll der politischen Ideologie der FDP, aber sie ist bar der politischen Vernunft.“ Kathrin Senger-Schäfer von den Linken sagte: „Das führt am Ende zu einer Zwei-Klassen-Pflege.“ Die FDP-Pflegeexpertin Christine Aschenberg-Dugnus lobte sie hingegen als bürokratiearm.

Bahr warb für die Reform. „Wir konzentrieren uns darauf, die Familien in Deutschland zu stützen, die die Hauptlast der Pflege tragen.“ Viele würden bessergestellt. SPD und Grüne hätten in ihrer Regierungszeit bei der Pflege nichts unternommen.

Nur geringe Mehrleistungen

Elisabeth Scharfenberg (Grüne) warf der Koalition vor, angesichts nur geringer Mehrleistungen für Demenzkranke den Mund viel zu voll zu nehmen. „Ich gehe fest davon aus, dass wir in der nächsten Legislaturperiode genügend Unterstützung haben, diesen Unfug wieder rückgängig zu machen.“

Besonders enttäuscht zeigten sich SPD, Linke und Grüne, dass es zunächst keine neue Bestimmung der Pflegebedürftigkeit gibt. Damit soll eine neue Eingruppierung von Demenzkranken in die Pflegeversicherung ermöglicht werden. Das immer größere sozialpolitische Problem der Demenz soll so angegangen werden.

Für die Regierung ist die Reform der Einstieg in eine Neuausrichtung der Pflegeversicherung. Die Koalition betonte, ein Expertenbeirat arbeite an der Umsetzung – die nächste Reform soll also kommen. Gewerkschaften und Sozialverbände lehnten das Gesetz als unzulänglich und unsozial ab, die Arbeitgeber als nicht nachhaltig.

Künftiger Pflegebedarf in Deutschland

Jeder dritte Mann, davon gehen Experten aus, und jede zweite Frau müssen damit rechnen, im Lauf des Lebens an Demenz zu erkranken. Das besagt der Pflegereport 2010 der Krankenkasse Barmer GEK. Die Zahl von 1,2 Millionen Demenzkranken wird sich demnach bis 2060 auf 2,5 Millionen mehr als verdoppeln. Von den Dementen gelten rund zwei Drittel als pflegebedürftig. Pro Monat braucht ein Demenzkranker im Schnitt gut 500 Euro mehr von den Pflege- und 300 Euro mehr von den Krankenkassen als ein durchschnittlicher Versicherter, hat eine Studie ergeben. Das sind rund 10 000 Euro im Jahr. Rechnet man die steigende Zahl der Dementen hoch, kommt man längerfristig auf einen zweistelligen Milliardenbetrag, der zusätzlich nötig wäre. Die Zahl der Pflegebedürftigen könnte laut Experten von derzeit mehr als 2,4 Millionen bis zum Jahr 2030 auf 3,4 Millionen steigen. 2050 könnte es laut Statistischem Bundesamt sogar 4,5 Millionen Pflegebedürftige geben. Hauptgrund ist die höhere Lebenserwartung. Text: dpa

 
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