Wieder eine lange Nacht im Kanzleramt, wieder ein stundenlanger Verhandlungsmarathon zwischen der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten, wieder ein zähes Ringen ums Geld sowie um die Machtverteilung zwischen dem Bund und den Ländern. Und wieder eine Einigung – die dieses Mal sogar endgültig sein soll, auch wenn noch immer einige Detailfragen zu klären sind.
Knapp zwei Monate nachdem sich der Bund und die Länder grundsätzlich auf eine Neuregelung ihrer komplizierten Finanzbeziehungen und eine Neuorganisation des Länderfinanzausgleichs ab dem Jahr 2020 geeinigt hatten, legten sie in der Nacht zum Freitag bei einem weiteren Gipfel ihren Streit um das Ausmaß der Kompetenzverlagerungen an den Bund sowie der dadurch notwendigen Grundgesetzänderungen bei. Man sei einen „Riesenschritt“ vorangekommen, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel gegen Mitternacht, „Bund und Länder haben fair, ehrlich und hart miteinander verhandelt und eine breite Übereinstimmung erzielt“. Bereits in seiner nächsten Sitzung könnte das Bundeskabinett das gesamte Gesetzespaket verabschieden.
Ums Geld ging es im Kanzleramt nur noch am Rande. Schon am 14. Oktober hatten sich Angela Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble und die Ministerpräsidenten der Länder darüber verständigt, dass der Bund die finanziellen Hilfen für die Länder ab 2020 auf jährlich rund 9,52 Milliarden Euro aufstockt.
Gleichzeitig entfällt der bisherige Ausgleich zwischen den vier finanzstarken Geberländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Hamburg und den zwölf finanzschwachen Nehmerländern, weil der gesamte Länderfinanzausgleich über eine Neuverteilung der Umsatzsteuer erfolgen soll. Im Gegenzug erklärten sich die Länder bereit, etliche Kompetenzen an den Bund abzutreten, unter anderem beim Fernstraßenbau, bei Online-Angeboten der Verwaltung, bei der Steuerverwaltung sowie für Investitionen in Schulen.
Doch die von Wolfgang Schäuble vorgelegten Gesetzesänderungen, die auch etliche Grundgesetzänderungen notwendig machen, gingen den Länderchefs entschieden zu weit. Sie warfen ihm vor, mit immer neuen Vorschlägen weit über die Vereinbarungen vom 14. Oktober hinauszugehen und sich weitreichende Eingriffs-, Steuerungs- und Weisungsrechte zu sichern.
Besonders umstritten war die Idee Schäubles, künftig Autobahnen zu privatisieren. Nachdem bereits der Koalitionspartner SPD sein Veto eingelegt hatte, einigten sich Bund und Länder darauf, dass die geplante bundeseigene Infrastrukturgesellschaft, die für den Bau, den Betrieb und den Unterhalt von Autobahnen und Bundesstraßen zuständig sein wird, komplett in öffentlicher Hand bleibt und es keine Privatisierungen geben wird. Dies sei für die Länder „ganz entscheidend“ gewesen, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef Erwin Sellering (SPD). Zudem dürfe es keine Nachteile für die Beschäftigten in den bisherigen Landesverwaltungen geben.
Es kam auch zu einer Verständigung auf mehr Personal für die schnellere Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern. Nach Angaben Sellerings wird ein neues Bund-Länder-Lagezentrum für Rückführungen eingerichtet, das sich schwerpunktmäßig um die Beschaffung von Ersatzpapieren kümmern soll. Einzelheiten sollen noch mit Innenminister Thomas de Maiziere ausgehandelt werden. Im Grundsatz geklärt wurde auch, dass der Bund finanzschwachen Kommunen Investitionshilfen zur Sanierung maroder Schulen gewährt, ohne dass dadurch die Kompetenzen der Länder im Bildungsbereich angetastet werden.
Ursprünglich wollte Schäuble, dass die Länder im Detail die Verwendung der Mittel belegen, nun einigten sich Bund und Länder darauf dass der Bundesrechnungshof „im Benehmen“ mit den Landesrechnungshöfen prüfen kann, wie die Bundesmittel verwendet werden. Offen blieben in den Verhandlungen nach Angaben Merkels auch noch Detailfragen bei der Finanzierung des erweiterten Unterhaltsvorschusses für Alleinerziehende.
Die besondere Entlastung der Haushaltsnotlageländer Saarland und Bremen, die Sanierungshilfen in Höhe von jeweils 400 Millionen Euro erhalten, wird im Grundgesetz verankert. Im Gegenzug müssen sich die beiden Länder verpflichten, die Schuldenbremse einzuhalten, Schulden zu tilgen und die eigene Wirtschaftskraft zu stärken.