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Bühne frei für das Austria-Experiment
Mariele Schulze-Berndt
 |  aktualisiert: 15.01.2020 02:11 Uhr

Europa blickt auf Österreich. Am Donnerstag stellte sich in Wien eine neue Bundesregierung vor, die gleichzeitig ein spannendes politisches Experiment ist. Die konservative ÖVP von Bundeskanzler Sebastian Kurz und die österreichischen Grünen sind eine Koalition eingegangen, die vor gar nicht allzu langer Zeit noch kaum denkbar gewesen wäre. Auch ist Österreichs künftige Bundesregierung besonders jung, besonders weiblich und hat mit der künftigen grünen Justizministerin Alma Zadic erstmals ein Mitglied mit Migrationshintergrund.

Doch Kurz hat sich auch ihm vertraute Politiker mit Regierungserfahrung an seine Seite geholt: So wie den 1955 in Düsseldorf geborenen Bildungsminister Universitätsprofessor Heinz Fassmann, die Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck aus Tirol, den bisherigen Kanzleramtsminister Gernot Blümel als Finanzminister und die ehemalige Staatssekretärin Karoline Edtstadler aus Salzburg als Europa- und Kanzleramtsministerin. Kurz? vielleicht wichtigste Weggefährtin aus frühen Tagen, Elisabeth Köstinger, 41, bleibt Landwirtschaftsministerin.

Die Grüne Leonore Gewessler führt das neue „Superministerium“

Einige wichtige Teile ihres Ressorts verliert sie allerdings an das neu zugeschnittene „Superministerium“ für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, das die Grüne Leonore Gewessler übernehmen wird. Die 42-Jährige stammt wie der grüne Bundessprecher und künftige Vizekanzler Werner Kogler aus Graz und blickt auf eine langjährige Karriere bei den Grünen und der Organisation Global 2000 zurück. Dort leitete sie Kampagnen gegen die Handelsabkommen TTIP und Ceta, trat für den Kohleausstieg Österreichs und gegen den Bau einer dritten Piste am Flughafen Schwechat ein. In Brüssel hat sie Erfahrungen gesammelt, als sie bei der Green European Foundation arbeitete.

Mit dem Ministerium für Soziales und Gesundheit wird Rudolf Anschober, 59, aus Oberösterreich das zweite große grüne Ressort führen. Anschober machte sich einen Namen, weil er zusammen mit ÖVP-Politikern die Initiative „Ausbildung statt Abschiebung“ in die Schlagzeilen brachte.

Ein „Flüchtlingskind“ im Justizministerium

Das Justizministerium wird künftig Alma Zadic führen. Die 35-Jährige kam als zehnjähriges Flüchtlingskind aus Bosnien nach Wien. Der Wiener „Standard“ berichtete, dass sie jüngst Ziel von rechtsextremistischem Angriffen im Internet wurde. Zadic erhielt eine Welle an Hasspostings, nachdem sich FPÖ-Politiker kritisch über Zadic geäußert hatten. Sie war medienrechtlich in erster Instanz für üble Nachrede verurteilt worden, weil sie „keine Toleranz für Neonazis, Faschisten und Rassisten“ zu einem Foto gepostet hatte, bei dem der Eindruck entstanden war, dass ein junger Mann den Hitlergruß gezeigt hatte. Der Mann behauptete, er habe nur gewunken. Das glaubte ihm der Richter. Zadic hat Berufung eingelegt.

Vizekanzler Werner Kogler selbst wird eher die Regierungsarbeit als Ganzes in den Blick nehmen und sich auf die Sachgebiete Beamte und Sport beschränken. Als Bundessprecher wird er auch darauf achten müssen, dass seine Partei einig auftritt. Der 58-Jährige hatte die Grünen wieder ins Parlament und dann gleich in die Regierung geführt, nachdem sie 2017 in Folge innerpateilicher Querelen den Einzug ins Parlament verpasst hatten.

Nur Alexander Schallenberg wurde aus der Expertenregierung übernommen

Der einzige Minister, der aus der Expertenregierung in die neue Regierung Kurz/Kogler übernommen wird, ist Außenminister Alexander Schallenberg, 50. Der versierte Berufsdiplomat gilt als strategischer Kopf und Intimus des Bundeskanzlers.

Das Innenministerium bekommt Karl Nehammer, ÖVP-Generalsekretär und ein innenpolitischer Hardliner. Der Milizoffizier kommt aus dem Arbeitnehmerbund der ÖVP und aus Niederösterreich. Damit gilt er als ein Beweis dafür, dass im zweiten Kabinett Kurz nicht mehr die Quereinsteiger dominieren, wie 2017. Landesverbände der ÖVP und deren Bünde haben wieder an Einfluss gewonnen.

Ähnliches gilt für Verteidigungsministerin Klaudia Tanner, 49. Die Juristin kommt aus dem Bauernbund in Niederösterreich und gilt als „knallhart“. Ebenfalls in ÖVP-Hand bleibt das Arbeits- und Familienministerium. Christine Aschbacher wird Ministerin für Vereinbarkeit. Die 36-jährige Mutter aus der Steiermark leitet bisher eine Business-Beratungsagentur. Integrationsministerin wird mit Susanne Raab aus Oberösterreich eine Expertin, die bislang im Außenministerium für Integration, zum Beispiel das Kopftuchverbot, zuständig war.

 
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