Den Gefangenen wurden Hosen und Hemden vom Leib gerissen, dann prügelten johlende Polizisten auf die Nackten ein. „Ehrenspalier“ nennen die Peiniger ihr sadistisches Ritual. Nachts müssen die 36 Häftlinge „wie die Sardinen“ auf dem Boden und zwischen Kakerlaken ihrer Minizelle schlafen. Alle teilen sich ein ranziges Waschbecken, aus dessen Hahn lehmig-braunes Wasser kommt.
Ein Häftling, der einen Herzinfarkt erlitt, wurde einfach seinem Schicksal überlassen – ein anderer mit einer eiternden Schusswunde nicht behandelt. Wer als Ägypter in den Kerkern seiner Heimat verschwindet, kommt in der Regel misshandelt und gebrochen wieder heraus. Daran hat sich nach dem Sturz von Hosni Mubarak und Mohammed Mursi nichts geändert.
Irrwitzige Haftbedingungen
Verhaftete westliche Ausländer werden genauso brutal misshandelt wie Einheimische, das belegen aus dem Knast geschmuggelte Briefe von zwei Kanadiern und einem US-Bürger ägyptischer Abstammung. Alle drei waren Mitte August nach der Räumung der beiden Muslimbruder-Lager in Nasr City und Dokki in die Fänge der Polizei geraten. Über das Schicksal dieser politischen Gefangenen dringt bisher kaum etwas nach außen. „Die Haftbedingungen sind irrwitzig“, schreiben Tarek Loubani und John Greyson, der eine Intensivmediziner und der andere Filmemacher aus Kanada. Beide sind im Hungerstreik, Kanadas Premierminister forderte am Dienstag ihre sofortige Freilassung. Am 15. August war das Duo auf der Durchreise in den Gazastreifen, wo der Tarek Loubani Ärzte am Shifa-Hospital fortbilden und John Greyson dies mit der Kamera dokumentieren wollte. Da der Grenzübergang in Rafah wegen der Unruhen geschlossen war, legten sie einen Zwangsstopp in Kairo ein und gerieten in Tumulte.
Stiefelabdruck im Rücken
An einer Straßensperre der Polizei, wo sie sich nach dem Weg zurück in ihr nahegelegenes Hotel erkundigten, wurden sie „festgenommen, durchsucht, geschlagen, verspottet und als ausländische Söldner beschimpft. John hatte eine Woche lang einen Bluterguss von der Größe einer Stiefelsohle auf dem Rücken.“ Vorgeworfen wird ihnen Brandstiftung, Mord, Angriff auf eine Polizeistation sowie Teilnahme an einer illegalen Demonstration. Nach Ansicht ihres Anwalts waren beide nur „zur falschen Zeit am falschen Ort“.
Ihr US-Schicksalsgenosse Mohamed Sultan war im Februar nach dem Studium an der Universität von Ohio nach Ägypten gezogen, weil er eine Stelle in der Ölbranche gefunden hatte. Bei der Räumung des Protestcamps in Rabaa Adawiya wurde er in den Arm getroffen. Wenige Tage, nachdem die Kugel herausoperiert worden war, verhaftete ihn die Polizei in seiner Wohnung. Im Gefängnis wurde er in den sogenannten Kühlschrank gesperrt, einen leeren Raum ohne Stuhl, Tisch, Fenster und Licht. Bis heute wird ihn jeder Kontakt zu einem Anwalt verwehrt.