Zehn Tage nach den Anschlägen in der belgischen Hauptstadt Brüssel mit 32 Toten und 340 Verletzten ist ein erbitterterer Streit um die Frage ausgebrochen, ob die Behörden die Attentate nicht hätten verhindern können.
Als Erster hatte sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan zu Wort gemeldet. „Wir haben einen der Brüder El Bakraoui im Sommer in der Stadt Gizantrep festgenommen und ihn abgeschoben, in die Niederlande. Wir haben auch sofort den belgischen Botschafter in Ankara informiert.“ Diese Darstellung dürfte stimmen. In der diplomatischen Vertretung Belgiens in Ankara landete die Warnung auf dem Tisch des Verbindungsoffiziers zu den hiesigen Sicherheitsbehörden. Dass der die Meldung nicht weiterreichte, hat die Regierung inzwischen eingestanden.
Doch die Warnung der Türkei zog weitere Kreise, denn zwischen Ankara und den Anti-Terror-Spezialisten der USA gibt es seit Jahren eine enge Zusammenarbeit. Wer auch immer von Ankara als Extremist eingestuft wird, landet nahezu automatisch auf einer „Informationsliste“ des FBI-Zentrums für Terrorismus-Fahndung. Das war auch im Fall von Khalid El Bakraoui so, der zusammen mit seinem Bruder Ibrahim die Bombe am Brüsseler Airport zündete.
Die US-Behörden wiederum reichten einen entsprechenden Tipp nach eigenen Angaben nicht nur nach Brüssel, sondern auch an die niederländischen Spezialisten in Den Haag weiter.
Als man am 17. März routinemäßig mit den belgischen Kollegen zusammensaß, sprach man auch über das „radikale Vorleben“ der beiden Verdächtigen – so zumindest die Darstellung des niederländischen Justizministers Ard van der Steur. Aber er lässt offen, ob man den Fall El Bakraoui eben nur „angesprochen“ oder eine konkrete Terrorwarnung weitergereicht hat. Belgiens Justiz-Chef Geens stellt die Sache ganz anders dar: Thema des Gespräches sei vor allem die Razzia am 15. März in der Gemeinde Forest gewesen. Dabei wurde ein Algerier erschossen und, wie man allerdings erst heute weiß, der Pariser Top-Terrorist Salah Abdeslam vertrieben. Ihn verhaftete die Polizei zwei Tage nach dem Treffen in Molenbeek.
Die Vorgänge sind deshalb in ihren Details so wichtig, weil sie zeigen, wie unterschiedlich in den Mitgliedstaaten über sogenannte „Gefährder“ gedacht wird. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Den Haag die Zusammenarbeit mit Belgien in Sachen innere Sicherheit zurückgefahren hatte: Der verantwortliche Verbindungsbeamte an der niederländischen Botschaft in Brüssel wurde im Sommer 2015 abgezogen und nicht ersetzt.