Marine Le Pen hat ein Thema gefunden, mit dem sie im französischen Präsidentschaftswahlkampf täglich von sich reden machen kann. Es geht diesmal nicht um Muslime und Einwanderer, vor deren Übermacht die Vorsitzende des rechtsnationalen Front National sonst oft warnt. Auch nicht um den Ausstieg Frankreichs aus dem Euro, den sie längst nicht mehr so laut fordert, seit ihn Ökonomen unisono als wirtschaftspolitischen Wahnsinn bewerten.
Le Pen tritt jetzt als Vorkämpferin der Demokratie auf, die sie in ihrem Land in Gefahr sieht – und die sie selbst verkörpere, als Opfer eines Systems, das sie um die Kandidatur bringen könnte. Denn diese ist noch auf der Kippe, während ihr Umfragen 16 bis 18 Prozent der Stimmen bei der Wahl in zwei Monaten voraussagen – das wäre der dritte Platz hinter Präsident Nicolas Sarkozy und dem sozialistischen Favoriten François Hollande. Bislang hat sie bei regionalen und lokalen Abgeordneten erst 430 „Patenschaften“ gesammelt – sie braucht aber 500, um als Kandidatin akzeptiert zu werden. Ähnliche Probleme haben momentan auch noch Ex-Premierminister Dominique de Villepin oder Frédéric Nihous von der Partei der Fischer und Jäger.
Diese Regelung verhindert seit 1976, dass allzu aussichtslose Einzelkämpfer antreten. Sie schreibt zugleich vor, dass 500 Namen der Unterstützer veröffentlicht werden. Viele Bürgermeister fürchten allerdings Anfeindungen, wenn sie als Le Pens „Paten“ auftreten. Denn dass 2002 der damalige Chef des Front National, Jean-Marie Le Pen, in die Stichwahl gegen Jacques Chirac kam, gilt in Frankreich vielen bis heute als Sündenfall.
Obwohl die Partei unter Le Pens Tochter Marine für viele wählbar und gesellschaftsfähig geworden ist, die ihr mit ihrer Strategie der „Ent-Dämonisierung“ ein moderneres Bild verpasst, bleiben die Mandatsträger unter Druck. Le Pens Antrag, ihnen Anonymität zu garantieren, hat der Verfassungsgerichtshof nun abgewiesen mit der Begründung, die Transparenz sei rechtens. Die 43-Jährige schäumt, man wolle sie bewusst abdrängen. Weil die Banken ihr kein Geld leihen, solange die Kandidatur nicht feststehe, müsse sie sogar Wahlkampf-Auftritte absagen.
Ihre Notlage bringt ihr zugleich prominente Hilfe ein: Brigitte Bardot, die sich politisch rechts außen verortet, ruft die Mandatsträger in einem Brief auf, „einmal in ihrem Leben ein wenig Mut zu beweisen und endlich ihre Pflicht zu erfüllen“. Marine Le Pen habe sich als Verteidigerin der Tiere und eines starken Frankreichs in der Welt erwiesen, schreibt die Ex-Schauspielerin, die sich inbrünstig für den Tierschutz engagiert. Kurzzeitig erwog die 77-Jährige sogar eine eigene Kandidatur.
Als Auslöser für ihre Einmischung diente wohl ein Streit um das Schächten, das bei Muslimen übliche rituelle Schlachten von Tieren, das Bardot als Tierquälerei kritisiert. Die Behauptung in einer Fernsehreportage, im Großraum Paris würde grundsätzlich nur noch geschächtetes Halal-Fleisch verkauft, widerlegte die Branche zwar heftig – Le Pen nutzte sie dennoch für die Ankündigung, wegen Betrugs klagen zu wollen: Es könne nicht sein, dass sich alle den Ernährungsgewohnheiten einer Minderheit anpassen müssten. „Die Franzosen werden in ihrem eigenen Land verachtet“, erklärte sie.
Dass sie sich dabei auf falsche Angaben stützt, scheint die Rechtspopulistin nicht zu stören. Nachdem sie zuletzt in den Umfragen zurückgefallen ist, kämpft sie umso erbitterter um Aufmerksamkeit. Deshalb halten ihre Gegner auch die Warnung, sie könne möglicherweise nicht kandidieren, für einen „Bluff“, wie Premierminister François Fillon sagt: Schon Le Pens Vater habe sich stets als Opfer des Systems stilisiert.