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LONDON
Brexit-Boris will nicht mehr
Große Überraschung: Der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson bewirbt sich nun doch nicht um die Nachfolge des scheidenden Premierministers David Cameron. Damit wird er auch nicht der nächste Premierminister Großbritanniens.
BRITAIN-EU-POLITICS-PARTIES-JOHNSON       -  Boris Johnson sagt erst einmal Adieu. Am Donnerstag verkündete er, dass er sich nicht um die Cameron-Nachfolge bewerben wird.
Foto: Leon Neal, afp | Boris Johnson sagt erst einmal Adieu. Am Donnerstag verkündete er, dass er sich nicht um die Cameron-Nachfolge bewerben wird.
byl
 |  aktualisiert: 12.07.2016 03:34 Uhr

An diesem Vormittag reihte sich eine Eilmeldung an die andere, aber wie so oft war es Boris Johnson, der mit seinem Auftritt die Pointe setzte: Der Ex-Bürgermeister von London bewirbt sich völlig überraschend nicht um die Nachfolge des scheidenden Premierministers David Cameron.

Das gleich zu Beginn seiner Rede zu sagen, hätte aber nicht zum Selbstdarsteller Johnson gepasst. Vielmehr schmückte der 52-Jährige zunächst aus, wie er sich Großbritannien nach dem Brexit-Votum vorstelle, wie Immigration kontrolliert werden müsse und natürlich lobte er seine Arbeit als ehemaliges Oberhaupt der Metropole. Die Agenda des nächsten Regierungschefs müsse davon bestimmt sein, das Königreich zu einer weltoffeneren Nation zu machen, das seine Beziehung zu Europa neu regele, meinte er. Wer sollte das übernehmen? „Ich bin zu dem Schluss gekommen, diese Person kann nicht ich sein.“ Und die Insel hatte ihre Schlagzeile.

Immerhin war Johnson der prominenteste Wortführer des „Leave“-Lagers, er galt als Favorit um die Nachfolge des scheidenden David Cameron. Nachdem der für seine Volksnähe gefeierte Politiker in die Kampagne eingestiegen war, kletterten die Umfragewerte der EU-Gegner stetig nach oben. Bis zum Brexit.

Doch seit dem Votum war Johnson abgetaucht. Nur zwei Mal ließ er sich kurz blicken. Es bestätigte all jene Beobachter, die Johnson unaufhörlich als Opportunisten kritisierten, der im Herzen doch ein EU-Freund sei und sich nur aus persönlichen Karriere-Ambitionen auf die Seite der Brexiteers geschlagen hatte.

In den Reihen der europafreundlichen Tories kam sein teils bitter geführter Wahlkampf nicht gut an. Ein zukünftiger Premier, der die EU für seinen Ehrgeiz missbraucht und mit Kalkül ein Land in die Krise stürzt? Offenbar fehlte selbst seinem engsten Kollegen im Club der Brexiteers das Vertrauen.

Justizminister Michael Gove kündigte, ebenfalls äußerst überraschend, seine Bewerbung um den Konservativen-Vorsitz an. Zuvor stand er als treuer Unterstützer hinter Johnson, nun stieß er ihm das Messer in den Rücken. Der in der Partei bestens vernetzte Gove glaube nicht, dass Johnson „die Führung übernehmen und das Team für die kommenden Aufgaben aufbauen“ könne, ließ er wissen. Es zeigt, wie gespalten nicht nur das Land, die Gesellschaft und die Parteien sind, die Gräben sind selbst im Lager der Europagegner kilometertief.

Davon profitieren könnte Theresa May. Aktuellen Umfragen zufolge erhält sie die größte Zustimmung unter den rund 1500 Parteimitgliedern, die in überwältigender Mehrheit europaskeptisch eingestellt sind. Sie stimmen am Ende über einen der beiden Kandidaten ab, die die Abgeordneten zuvor aus dem Bewerberfeld ausgewählt haben. May zählte zwar offiziell zu den EU-Befürwortern, aber ihre Entscheidung traf sie aus Loyalität zu Cameron. Denn die 59-Jährige profilierte sich in der Vergangenheit geradezu mit einer äußerst europaskeptischen Haltung.

May ist seit sechs Jahren Innenministerin und allein diese Tatsache wird ihr als großer Erfolg angerechnet. Der Posten gilt eigentlich als Schleudersitz. Umso mehr, weil ihr Ministerium für Grenzpolitik und Einwanderung zuständig ist und damit für die Themen, die am Ende das Referendum entschieden haben.

Mit dem Ziel, die Zahl der Immigranten unter 100 000 zu senken, scheiterte die konservative Regierung zwar krachend. Doch May präsentierte sich stets als Hardlinerin. Auf dem Parteitag im vergangenen Oktober markierte sie laut „Guardian“ „einen neuen Tiefpunkt in der britischen Migrationspolitik“, nachdem die Konservative meinte, viel Einwanderung führe zu sinkenden Löhnen und dazu, dass Menschen ihre Arbeit verlören.

Kann sie Premierministerin? Die Tochter eines anglikanischen Vikars wird als kühl, extrem fleißig und scharfsinnig beschrieben. Während ihre männlichen Kollegen in den Pubs in Westminster noch das ein oder andere Feierabendbier genießen, hält sich die Unnahbare aus Tratsch und Klatsch heraus, gilt als streng und unbequem.

Viele erkennen bereits jetzt Parallelen zu Margret Thatcher und das nicht nur, weil auch May ein modisches Accessoire zu ihrem Markenzeichen machte: May besitzt ein Faible für auffällige Schuhe. Ob sie auf High-Heels demnächst in die Downing Street Nummer 10 spaziert? Am 9. September soll der neue Parteivorsitzende und damit der neue Premierminister oder die neue Premierministerin feststehen.

 
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