Unter den 160 Wirtschaftswissenschaftlern, die den Protestbrief gegen die Beschlüsse des EU-Gipfels unterschrieben haben, sind drei Würzburger Professoren: Norbert Berthold, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik, Wolf-Heimo Grieben, Lehrstuhlvertretung für Internationale Makroökonomik, und Hans Fehr, Inhaber des Lehrstuhls für Finanzwissenschaft.
Fehr ist Realist genug, um zu wissen, dass der offene Brief „nicht die Politik verändert“. Er wolle mit seiner Unterschrift aber dazu beitragen, die Bürger zu sensibilisieren, „einmal innezuhalten“. Die Lage für die Deutschen habe sich durch die Entscheidungen des EU-Gipfels „dramatisch verschärft“, so der Volkswirt im Gespräch mit dieser Zeitung.
Er sei „überhaupt nicht“ gegen den Euro, betont Fehr, und auch „nicht unbedingt“ gegen den Rettungsschirm ESM, wie er zunächst konzipiert war. Allerdings dürften die Kriterien, um ihn in Anspruch nehmen zu können, nicht dauernd „aufgeweicht“ werden. Besonders ärgert Fehr, dass Länder wie Spanien und Italien künftig ESM-Gelder bekommen könnten, ohne dass etwa der IWF strenge Reformauflagen festlegt und kontrolliert, so wie das noch für Griechenland, Irland und Portugal gegolten habe.
Die Bundesrepublik habe sich vor allem mit der Agenda 2010 unter Bundeskanzler Gerhard Schröder massive Arbeitsmarktreformen verordnet, die sie heute vergleichsweise gut dastehen lässt. Ähnliche Anstrengungen könne man auch von anderen Staaten verlangen, so Fehr. Er sehe sie derzeit nicht. Würden sie umgesetzt, bekämen die Staaten auch auf dem privaten Kapitalmarkt wieder zinsgünstige Kredite, so der Wissenschaftler. Eine bedingungslose Kreditvergabe via ESM funktioniere allenfalls eine Weile, auf Dauer drohe Inflation in ganz Europa.
Fehr hofft, die Kritik der Wirtschaftswissenschaftler werde Bundeskanzlerin Angela Merkel helfen, bei künftigen Euro-Entscheidungen standhaft zu bleiben. Ein Ergebnis könne auch sein, getroffene Entscheidungen rückgängig zu machen, „weil sie in Deutschland politisch nicht durchsetzbar sind“. Dass deutsche Hartleibigkeit den Frieden in Europa gefährdet, glaubt er nicht. „Der böse Bube sind wir doch jetzt schon, obwohl wir sehr viele Garantien übernommen haben.“
Derweil warnt der Volkswirt davor, über die EU-Rettung das Volk abstimmen zu lassen. Das Thema sei viel zu „komplex und kompliziert“, es drohe ein populistischer Wahlkampf, vor dem er „großen Horror“ habe.