Eine mögliche Beihilfe des BND zu gezielten Tötungen von Terrorverdächtigen durch die USA verschärft den Streit in der Geheimdienst-Datenaffäre. Die SPD verlangt von der Bundesregierung eine lückenlose Aufklärung der Vorwürfe.
Der Bundesnachrichtendienst (BND) gibt seit Jahren Handynummern von Terrorverdächtigen an US-Dienste weiter. Der Auslandsgeheimdienst bestreitet aber eine indirekte Beteiligung an gezielten Tötungen etwa durch US-Drohnen in Afghanistan und Pakistan. Am Montag sagt der für die Geheimdienste zuständige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU) erneut im Kontrollgremium des Bundestages aus.
Der BND erklärte, die Weitergabe von Mobilfunknummern terrorverdächtiger Personen an ausländische Geheimdienste sei rechtmäßig: „Diese Übermittlungspraxis gibt es im BND seit etwa 2003/2004.“ Der neue BND-Präsident Gerhard Schindler habe dies nicht eigens angeordnet. Die „Süddeutsche Zeitung“ und das NDR-Magazin „Panorama“ berichteten, im BND gebe es erheblichen Widerstand gegen die von Schindler gedeckte umstrittene Praxis.
Nach BND-Darstellung sind die bei der eigenen Auslandsaufklärung gewonnenen und weitergereichten GSM-Mobilfunknummern „für eine zielgenaue Lokalisierung nicht geeignet“. Experten vermuten dagegen, dass solche Daten beim Einsatz von Kampfdrohnen zum Beispiel in Afghanistan, Pakistan oder Somalia zur gezielten Tötung durchaus genutzt werden können. Wenn Daten über einen längeren Zeitraum erhoben würden, seien sie nützlich, um Personen zu orten, sagte der Hamburger Informatikprofessor Hannes Federrath der „SZ“.
Der „Spiegel“ berichtete, mit den BND-Daten könne der US-Geheimdienst NSA Bewegungsprofile Terrorverdächtiger erstellen, die mit nur wenigen Minuten Verzögerung anzeigten, wo sich Handynutzer aufhalten. Der BND habe gegenüber dem Magazin erklärt: „Die Hilfe bei der Orientierung für militärische Operationen kann nicht ausgeschlossen werden.“
Die „Süddeutsche Zeitung“ erwähnte in diesem Zusammenhang die Tötung eines deutschen Terrorverdächtigen in der pakistanischen Region Waziristan durch einen US-Drohnenangriff 2010. Zuvor sollen deutsche Behörden dessen Handynummer und die seiner Freunde an die Amerikaner weitergeleitet haben.
Nach BND-Angaben erfolgt die Übermittlung von Mobilfunknummern an nicht genannte Partnerdienste auf der Grundlage des BND-Gesetzes. Dabei werde die Weitergabe der Daten an die Bedingung geknüpft, dass auf ihrer Grundlage nicht gefoltert werde oder eine Verurteilung zum Tode erfolge.
Deutschland als Spionageziel
Die Daten würden nicht weitergegeben, wenn die „schutzwürdigen Interessen des Betroffenen das Allgemeininteresse an der Übermittlung überwiegen“.
Der Vorsitzende der Linkspartei, Bernd Riexinger, fordert von SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier Aufklärung, ob er als Kanzleramtschef über die Weitergabe von Handynummern informiert war. Notfalls müsse der Generalbundesanwalt tätig werden, sagte Riexinger „Handelsblatt Online“. Die Datenübermittlungen durch den BND sollen zur Zeit der rot-grünen Bundesregierung begonnen haben.
Zugleich wurde am Wochenende bekannt, dass der US-Geheimdienst NSA nach einem „Spiegel“-Bericht Deutschland und die EU intern ausdrücklich als Spionageziele aufführt. Dies gehe aus einer Geheimliste mit nachrichtendienstlichen Prioritäten hervor, über die der Geheimdienst-Enthüller Edward Snowden verfüge, berichtete das Magazin.
Demnach rangiert Deutschland auf der Skala von 1 (höchstes Interesse) bis 5 (niedrigstes Interesse) im Mittelfeld, etwa auf einer Ebene mit Frankreich und Japan, aber vor Italien und Spanien. Zu den Topzielen zählen demnach China, Russland, Iran, Pakistan, Nordkorea und Afghanistan.
Die Beziehungen der Geheimdienste beschäftigen am Montag wieder das Kontrollgremium des Bundestages. Der Vorsitzende des Gremiums, der SPD-Politiker Thomas Oppermann, will von Kanzleramtsminister Pofalla jetzt auch alles zum BND und Drohnen-Angriffen wissen. „Es wäre schlimm, wenn der BND zu solchen Tötungen beiträgt“, sagte Oppermann in Berlin.